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Die Verdammten der Taiga

Die Verdammten der Taiga

Titel: Die Verdammten der Taiga
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Horizont.
    Freiheit! Freiheit! Leben!
    Die Susskaja beugte sich wieder vor. »Siehst du es auch?« fragte sie.
    »Ja. Wir fliegen aus der Hölle hinaus.«
    »Laß uns jetzt an Putkin denken.« Sie legte den Kopf gegen seine Schulter. »Warum durfte Igor Fillipowitsch diese Stunde nicht erleben? Es gibt keine Gerechtigkeit, nirgendwo gibt es sie … auch in deinem Himmel nicht! Wie sollen da die Menschen gerecht sein? Putkin war ein Scheusal … aber er war trotzdem menschlicher und ehrlicher als viele andere Menschen.«
    Sie dachten an Putkin. Mit jedem Blick über den schimmernden Fluß und das verkohlte Land, mit all ihrer Hoffnung auf die in der Ferne auftauchende grüne, kraftstrotzende Taiga gedachten sie Igor Fillipowitschs. Der Strom dort unten hatte ihn irgendwohin getragen, in einer Bucht abgeladen, an ein seichtes Ufer geschwemmt. Sein geliebtes Sibirien hatte ihn aufgenommen.
    »Ich bin so glücklich«, sagte Katja Alexandrowna. »Versprich mir, daß wir in Rußland bleiben. Versprich es mir. Andrej, liebst du mich?«
    Er starrte in die Ferne. Die grüne Taiga kam näher und näher und damit das neue Leben.
    »Das weißt du doch, Katja –«, sagte er laut.
    »Wenn du mich liebst, mußt du auch Rußland lieben! Ich bin Rußland, Andrejenka. Ich und dein Kind Amalja –«
    Er nickte und beobachtete den Fluß. In Rußland bleiben, dachte er. Kann ich das? Bin ich ein Mensch, der hier leben könnte?
    Er korrigierte die Flugzeuglage und blickte wieder über das unendliche Land.
    Zuerst müssen wir wieder auf die Erde, dachte er. Im Himmel ist es leicht, Fragen zu stellen. Wir müssen hinunter, wieder auf diesem Fluß landen. Das ist eine größere Frage als die, ob ich in Rußland bleibe. Ob Katja und Amalja wirklich Rußland sind.
    Denn: Wie landet man?
    Sie hatten noch immer den Fluß unter sich, die einzige Orientierungsmöglichkeit. Einmal erkannten sie Hütten, einen aus der Taiga geschlagenen Platz mit einer Ansammlung von Pferdewagen, Lastautos und Traktoren. Menschen starrten zu ihnen herauf, der Sonnenglanz lag auf ihren Gesichtern. Winzige Flecke wie glitzernde Körper.
    Die Faktorei Jakuttorg. Die Sammelstelle für die Pelzjäger. Das Warenhaus der Jakuten in der Taiga.
    »Willst du hier landen?« fragte Katja Alexandrowna.
    Andreas gab keine Antwort. Er hatte einfach Angst, jetzt die Maschine herunterzudrücken und es dem Zufall zu überlassen, ob sie wirklich auf den Schwimmern aufkam. Er zog wieder hoch und setzte sich über die Mitte des Flusses. Einmal ist dieses Spiel zu Ende, dachte er dabei. Spätestens, wenn das Benzin verbraucht ist.
    Er suchte die Benzinuhr. Sie zeigte noch einen halbvollen Tank an, es war ein sparsames Flugzeug. Eine Galgenfrist von zwei Stunden vielleicht … dann gab es kein Ausweichen mehr, keine Flucht in die Feigheit …
    Und plötzlich sahen sie die Stadt. Der Fluß unter ihnen wurde breit und träge, und wie ein stählernes Band leuchtete in der Ferne quer zu ihnen ein großer Strom. Jenseits der Mündung ihres Flusses breitete sich das Häusergewirr aus, schnurgerade Straßen, Gärten und Parks, steinerne hohe Bauten und flache hölzerne Bauernkaten, Fabrikschornsteine, Lichtmasten und die hohen Elektrizitätspfeiler aus Stahl, Werkhallen und, den großen Strom entlang, saubere sandige Ufer, Felder, der Taiga in den Leib geschlagen, aufgerissene Erde, wo neue Straßen sich in die grüne Unermeßlichkeit fraßen.
    Kopf an Kopf starrten Andreas und Katja Alexandrowna auf dieses Zauberbild in der Ferne. Amalja lag hinter ihnen und schlief.
    »Das ist der Wiljuj …«, sagte die Susskaja leise. »Andrej, der Wiljuj. Und die Stadt ist Wiljuisk … ich kenne sie … ich war ein paarmal dort … Andrejuscha, wir leben … wir leben … wir leben weiter …«
    Die letzten Minuten.
    Andreas drückte den Steuerknüppel vorsichtig zur Seite. Das Flugzeug machte eine sanfte Kurve und zog einen Bogen über dem Fluß. In Wiljuisk tickten bereits die Telegrafen, klingelten die Telefone, wurde nach Irkutsk und Jakutsk gemeldet, daß ein Flugzeug der sowjetischen Luftwaffe, ein Aufklärer, von Norden herankam und sich reichlich merkwürdig benahm.
    »Er schwankt wie ein Betrunkener!« berichtete der sowjetische Oberst, bei dem alle Meldungen zusammenliefen. »Über der Faktorei hat er fast einen Looping geschlagen. Der Kerl, der da am Knüppel sitzt, muß bis zum Hals voll Wodka sein. Außerdem hat er Schwimmer am Gestänge, die unmöglich zur Standardausrüstung dieses Typs
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