Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Verbrechen von Frankfurt. Totenreich

Die Verbrechen von Frankfurt. Totenreich

Titel: Die Verbrechen von Frankfurt. Totenreich
Autoren: Ines Thorn
Vom Netzwerk:
rein, Kurzwegin, es müssen ja nicht alle hören, was wir zu bereden haben.»
    Verdutzt folgte Gustelies der Frau in die Küche. Hier standen zahlreiche Töpfe, in denen Fett und Asche brodelten. Es roch nach Lavendel und anderen Duftölen, die den Seifen zugesetzt wurden.
    «Also, was ist denn nun mit der Magd?»
    Die Seifensiederin setzte sich, die Hände auf dem Kittel gefaltet. «Ich weiß es nicht, Kurzwegin, das müsst Ihr mir glauben. Heute Morgen ist sie weggegangen wie immer, hatte alle Bestellungen dabei. Aber ausgeliefert hat sie nichts.»
    «Ach?» Gustelies stellte ihren Weidenkorb auf den Fußboden und verschränkte die Arme vor der Brust. «Woher wisst Ihr das?»
    «Den ganzen Nachmittag klopft es schon an der Tür. Wütende Kunden, die sich über das Fernbleiben der Lilo beschweren. Ich dachte mir schon das Schlimmste.»
    Sie atmete laut aus und hob die Hände. «Aber da sie ja bei Euch war, scheint sie sich nur verschwatzt zu haben. Sie wird eine Ohrfeige bekommen, wenn sie hier auftaucht, und alles ist wieder gut.»
    «Nun, ich weiß nicht sicher, ob sie da war, die Lilo. Ich war die ganze Zeit im Haus und nur einmal kurz im Garten. Der Pater schwört, er hätte in dieser Zeit kein Klopfen gehört.»
    «Wirklich nicht? Aber Ihr sagtet doch …»
    «Ihr kennt doch Pater Nau», unterbrach Gustelies die Seifensiederin. «Wenn er erst einmal in einen Disput verstrickt ist, hört er selbst die Glocken von Jericho nicht mehr.»
    «War sie nun da, die Lilo, oder nicht?», wollte die Seifensiederin wissen und hatte auf einmal einen ängstlichen Blick.
    «Beschwören kann ich nichts», entgegnete Gustelies.
    Da fing die Seifensiederin an zu weinen. Gustelies legte ihr eine Hand auf den Arm. «Na, na, meine Gute, es wird schon nicht so schlimm sein. Viele Mägde laufen ihren Dienstherren davon. Ihr werdet eine neue finden. Die Kunden werden’s Euch nicht nachtragen.»
    «Aber darum geht es doch nicht allein», schluchzte die Seifensiederin.
    «Nicht? Worum denn dann?»
    Die Frau putzte sich mit ihrer Schürze geräuschvoll die Nase. «Unsere Lilo, sie ist schwanger. Schon bald sollte das Kindlein kommen.»
    «Oh, verflixt. Wahrscheinlich hat irgendein Tunichtgut die Unschuld des armen Kindes ausgenutzt. Sie ist nicht die Erste, der das geschieht. Vielleicht hat sie sich zusammen mit diesem Schürzenjäger aus dem Staub gemacht? Ach, es ist schon ein Kreuz mit den Männern und der Liebe! Die wenigsten sind es wert, aber das stellt sich immer erst hinterher heraus. In der Hölle soll der Verführer schmoren!»
    «Es ist unser Sohn.»
    «Was?»
    «Der Schürzenjäger, der in der Hölle schmoren soll, das ist unser Sohn.»
    Gustelies schluckte. «Oh, das … äh … wollte … also, der Eure, der ist natürlich eine Ausnahme.»
    Die Seifensiederin beachtete Gustelies’ Gestammel nicht. «Im letzten Herbst ist er auf Befehl des Kaisers in den Türkenkrieg gezogen. Verheiratet wären die beiden schon, wenn der Krieg nicht wäre, und alles hätte seine Ordnung gehabt. Sie haben sich geliebt, die Lilo und der Lothar. Eine gute Seifensiedersfrau wäre sie geworden. Und ordentlich und anständig dazu.»
    «Hmm, dann kann sie also nicht weggelaufen sein.»
    «Ja, eben. Deshalb mache ich mir ja solche Sorgen. Immer pünktlich und zuverlässig, die Lilo. So etwas wie heute ist noch nie vorgekommen.»
    «Wann und wo ist sie denn zuletzt gesehen worden?», fragte Gustelies.
    «Als die Turmuhr die siebte Stunde geschlagen hat, ist sie aufgebrochen. Zur Mittagszeit hätte sie zurück sein sollen. Und danach wollte sie den anderen Teil der Waren ausliefern.»
    «Und jetzt läutet es gleich zur Vesper, und sie ist noch nicht zurück.»
    Die Seifensiederin nickte und schaute Gustelies hilfesuchend an.
    Gustelies stand auf. «Hat sie Verwandte oder Freundinnen in der Stadt?», fragte sie.
    «Eine verwitwete Tante. Und ein ehemaliges Nachbarsmädchen. Sie wohnen beide nur zwei Straßen weiter.»
    «Gut», erklärte Gustelies. «Ich bin ohnehin auf dem Weg zu meiner Tochter und meinem Schwiegersohn. Ich werde dem Richter erzählen, was hier geschehen ist. Ihr geht derweil zur Tante und zur Freundin und schaut, ob die Lilo vielleicht dort ist. Ist sie es nicht, dann besucht noch einmal alle Kunden, denen die Lilo heute Waren ausliefern sollte, und befragt sie ausführlicher. Auf diese Art können wir feststellen, wo und wann das Mädchen womöglich abhandengekommen ist.»
    Die Seifensiederin riss vor Entsetzen die Augen auf. «Ihr
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher