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Die verbotene Reise: Die Geschichte einer abenteuerlichen Flucht - Ein SPIEGEL-Buch (German Edition)

Die verbotene Reise: Die Geschichte einer abenteuerlichen Flucht - Ein SPIEGEL-Buch (German Edition)

Titel: Die verbotene Reise: Die Geschichte einer abenteuerlichen Flucht - Ein SPIEGEL-Buch (German Edition)
Autoren: Peter Wensierski
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Prenzlauer Berg in Ost-Berlin traf, der es bis hierher auf eigene Faust geschafft hatte. Beim Verabschieden steckte er Jens spontan das Geld zu. Er verdiene genug, meinte der Lehrer, du kannst in eine dumme Situation geraten, in einen Notfall, wer weiß, wozu es dann gut ist. Und wenn du es nicht brauchst, besuchst du mich irgendwann einmal und gibst es mir zurück!
    Jens hatte so etwas nicht erwartet und freute sich über die Hilfe. Das Geld gab ihm ein Stück Unabhängigkeit, und so wollte er sich nun von Peking aus mit dem neuen Pass in der Tasche auf eigene Faust durchschlagen. Er verabschiedete sich von den westdeutschen Beamten, nahm den Reiseführer zur Hand, den er von den Schweizern in Ulan Bator geschenkt bekommen hatte, und machte sich auf den Weg Richtung Hongkong.
    Nach einigen Zwischenstopps auf seiner Reise mit Bus und Bahn erreichte er die Grenzstation. Der Beamte aus Hongkong, vor dem er nun stand, blätterte in seinem Pass alle Seiten durch. Von vorn bis hinten, von hinten bis vorn, jede Seite. Nirgendwo war ein Stempel enthalten. Nirgendwo. Er guckte Jens an, und Jens starrte ihn an. Der Grenzbeamte blickte wieder in den Pass und begann erneut darin zu blättern. Dann hielt er inne und fragte: Is it a new one? Jens antwortete nur: Yes! Er wollte nicht mehr sagen, damit er sein Gegenüber nicht auf weitere Fragen brachte. Jens dachte: Diese letzte Kontrolle wird doch wohl zu schaffen sein?
    Dann fragte ihn der Beamte, ob er das Geld für das Visum zur Einreise nach Hongkong habe. Jens legte prompt ein paar Dollarnoten auf den Tisch. Der Mann nahm seinen großen Stempel und drückte ihn auf eine leere Seite des Reisepasses.
    Jens atmete erleichtert durch. In Hongkong war er im Westen angelangt. Der erste Abend in der Metropole, so erzählte er später, war für ihn ein schwerer Kulturschock. Die Lichter, die Menschen, die Leuchtreklamen, die Geschäfte. Er übernachtete in einem der Student Hostels, ein Tipp aus seinem Reiseführer. In der Herberge trafen sich junge Leute aus aller Welt. Eine bessere Informations- und Kontaktbörse konnte es für ihn nicht geben. Jens erfuhr, dass die Flüge, die von Hongkong nach Deutschland gingen, recht teuer waren, dafür reichte sein Geld nicht. Also nahm er kleine Jobs an, von denen er über eine Pinnwand im Hostel erfuhr.
    So heuerte er zum Beispiel bei einer chinesischen Filmproduktion als Statist an. Er musste einen Hügel hochrennen, es wurde geschossen, und er musste wie die anderen Kleindarsteller möglichst dramatisch umfallen. An anderen Tagen half er beim Deutschunterricht aus und übte mit lernwilligen Chinesinnen Konversation.
    Nach ein paar Wochen hatte er schon einiges verdient. Eines Abends sah er auf dem Heimweg vom Set eines Karatefilms in einem Schaufenster ein günstiges Flugangebot. Das Ticket nach Amsterdam sollte nur zweihundert Dollar kosten. Am nächsten Morgen ging er dorthin, zahlte für das Ticket und erhielt eine Quittung. Dann hieß es: Der Flugschein wird noch ausgestellt, kommen Sie bitte morgen zum Abholen.
    Als er das Ticket entgegennehmen wollte, sollte sein Flug plötzlich vierhundert Dollar kosten. Sein Lamentieren half nicht. Bei der Rechtsberatung im westdeutschen Konsulat klärte man ihn auf. Er müsse zahlen, was verlangt werde. Das normale Rechtsverständnis helfe hier in der Stadt nicht immer weiter. Jens wurde eindringlich gewarnt, er solle sich keine Schecks geben lassen, die seien meist ungedeckt, keine großen Scheine, die seien meist gefälscht.
    Der Mitarbeiter des Konsulats lud ihn zum Essen ein und klärte Jens noch weiter über Sitten und Unsitten in der britischen Kronkolonie auf. Jens begriff, dass sein Geld verloren war. Er kehrte zurück ins Hostel. An seiner Zimmertür hing ein Zettel. Er solle sich bei Susan melden.
    Susan war eine Hongkong-Chinesin, die in einem der kleineren Hochhäuser wohnte, es hatte lediglich sechzehn Stockwerke. Auf jeder Etage gab es ein Zimmer, die gemeinsame Küche befand sich auf der Dachterrasse. Dort trafen sich oft junge Leute aus aller Welt. Doch Susan war nicht da. Jens wartete alleine auf der Dachterrasse. Nach einigen Stunden kam sie und freute sich: Hallo Jens! Sie habe da vielleicht was für ihn.
    Sie arbeitete als Dokumentenüberbringerin beim Paketdienst TNT und war schon öfter zwischen London und Hongkong hin- und hergeflogen. Ein Flug Richtung London sei noch offen, dafür habe sie aber keine Zeit. Ob er übernehmen könne, er wolle doch nach Europa? Der Flug sei
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