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Die verbotene Pforte

Die verbotene Pforte

Titel: Die verbotene Pforte
Autoren: Nina Blazon
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einige Instrumente, die nur aus spitzen Knochen und Stacheln zu bestehen schienen. Wimmernde und jaulende Töne erfüllten den Raum. Sids Onkel konnte nicht widerstehen und stieß ein lang gezogenes Heulen aus, in das der Bräutigam mit dem Wolfskopf sofort einfiel.
    »Sollten nicht noch mehr Kinder zum Fest kommen?«, fragte Tobbs missmutig. Sid ließ sich auf einen der vier Kinderstühle fallen und lehnte sich lässig zurück. »Mein Cousin und noch irgendwelche Zwillinge aus dem Nordteil des Gebirges. Verwandtschaft vierten Grades. Aber die kommen erst später. Wer hat dir den Namen gegeben? Deine Mutter oder dein Vater?«
    Tobbs zuckte zusammen. »Das geht dich gar nichts an.«
    Sid wollte etwas sagen, als im Flur das Gebimmel von Glöckchen ertönte. Dopoulos flüsterte einem der Schankmädchen etwas zu und eilte hinaus.
    »Was war das für ein Bimmeln?«, wollte Sid wissen.
    »Nur die Türglocke aus Yndalamor«, knurrte Tobbs. »Willst du auch was trinken?«
    »Yndalamor? Ihr habt … eine Tür nach Yndalamor?« Sid begann aufgeregt auf seinem Stuhl hin und her zu rutschen. »Kennst du Kali, die Zerstörerin? Sie kommt aus diesem Land!«
    Endlich hatte Tobbs etwas, um den Quälgeist auf seinen Platz zu verweisen. »Klar kenne ich Kali«, sagte er betont lässig. »Sie ist unser Stammgast. Wahrscheinlich war sie es, die eben geklingelt hat. Sie kommt oft hierher und trinkt ihren Tee im roten Zimmer.«
    »Kali ist hier?«, rief Sid und sprang auf. Seine Stimme überschlug sich vor Begeisterung. »Kali ist meine Lieblingsgöttin! Sie hat die silberne Stadt Ghan mit einem einzigen Schwertschwung dem Erdboden gleichgemacht! Und sie hat neuerdings diese wahnsinnig gefährliche Kutsche – einen Streitwagen, und gezogen wird er von einem leibhaftigen Mancor! Kann ich sie sehen? Nur mal sehen! Bitte!«
    »Setz dich wieder hin«, sagte Tobbs streng. »Nein, Kali darf auf keinen Fall gestört werden. Von niemandem.«
    »Ach wirklich? Der dicke glatzköpfige Kerl ist aber sofort zu ihr rausgerannt.«
    Tobbs holte tief Luft. »Der ›dicke, glatzköpfige Kerl‹ ist unser Wirt. Er macht ihr die Tür auf.«
    Langsam ließ Sid sich wieder auf den Stuhl sinken. »Verstehe. Deshalb hat er einen so großen Schlüsselbund am Gürtel.« Er zog die Stirn kraus und schielte wieder zur Tür. Es war ein Blick, der Tobbs gar nicht gefiel. »Gut«, meinte Sid schließlich. »Ich bleibe ganz brav hier sitzen. Und ich hätte gern etwas zu trinken, Tobbs Hopps. Einen Schlangensaft, bitte. Mit ausgequetschter Fledermaus.«
    Tobbs juckte es in den Fingern, diese Göre einfach am Kragen zu packen und kräftig zu schütteln. Ruhig bleiben, ermahnte er sich. Er ist ein Gast. Nur ein frecher Gast, in Menschenjahre umgerechnet kaum älter als zehn. Ohne dem Dämonenkind eine Antwort zu geben, ging er zu dem Servierwagen hinüber, den eines der Mädchen gerade am Tisch entlangschob, und hangelte nach einem mit Marindensirup gefüllten Glas.
    In diesem Augenblick explodierte die Torte. Die brennende Zierschnur zischte an Tobbs vorbei wie ein Kometenschweif und wickelte sich, als sei sie lebendig, um den Knöchel eines Schankmädchens. Es sprang mit einem wütenden Schrei zur Seite, löschte die Schnur jedoch geistesgegenwärtig, indem es einen Krug voll Orangensaft darüber ausleerte. Der herrenlose Servierwagen, den das Mädchen von sich gestoßen hatte, flitzte über die Tanzfläche und rempelte Tobbs an.
    Tobbs rutschte das Glas aus der Hand. Der Marindensirup verteilte sich als glitzernde Fontäne über den Boden und vermischte sich mit den Scherben des Glases.
    Ein Feuerdämon sprang auf den Tisch, auf dem eben noch die Torte gestanden hatte, und verbeugte sich in der Säule aus beißendem Rauch, die aus den Trümmern der verkohlten Torte aufstieg.
    Die Dämonen applaudierten, johlten und kreischten. Einige leckten sich die schwarze Sahne von den Händen.
    Tobbs, der noch taub von der Explosion war, sah nur schemenhaft, wie die Hochzeitsgesellschaft auf die Tanzfläche stürzte. Erst einige Sekunden später ließ das Klingeln in seinem Ohr nach und er nahm die Musik wahr, die nun eingesetzt hatte – ein Stampfen und Trillern, durch das sich eine Melodie wand. Sie floss heiß durch seine Fingerspitzen in seine Arme, zuckte hinauf in seinen Kopf und hinunter in die Beine, das Stampfen wurde zum Takt seines Herzens – und schon sprang er mitten auf die Tanzfläche. Unter seinen Schuhsohlen knirschten Glassplitter. »Na, Schankjunge?«,
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