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Die verborgene Sprache der Blumen / Roman

Die verborgene Sprache der Blumen / Roman

Titel: Die verborgene Sprache der Blumen / Roman
Autoren: Vanessa Diffenbaugh
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Elizabeth die Blumen hin.
    Ein Lächeln breitete sich auf ihrem Gesicht aus. Freude und Erkennen zeichneten sich darin ab, aber nicht die Überraschung, die ich erwartet hatte. Es war, als habe sie immer gewusst, dass ich zurückkommen würde, und als hätte sie all die Jahre auf diesen Moment gewartet. Sie betrachtete mich von oben bis unten, und ich fühlte mich wie eine Tochter, die aus dem Ferienlager zu einer unnötig besorgten Mutter zurückkehrte. Nur, dass es anstelle eines Ferienlagers meine gesamte Jugend, meine Volljährigkeit, meine Obdachlosigkeit und meine Rolle als alleinerziehende Mutter gewesen waren. Deshalb konnte ich Elizabeth ihre Besorgnis nicht zum Vorwurf machen. Allerdings fühlte ich mich, als seien die Jahre seit meinem Abschied aus ihrem Haus blitzschnell verflogen und ganz weit weg.
    Sie stieß die Fliegengittertür auf, griff an den Blumen vorbei und schlang mir den Arm um den Hals. Ich sank an ihre freie Schulter. So standen wir in einer unbeholfenen Umarmung da, bis Hazel von Elizabeths Hüfte zu rutschen drohte. Als sie sie wieder hochzog, löste ich mich von ihr und schaute beide an. Hazels Gesicht war nicht zu sehen. Elizabeth wischte sich die Tränen von den Wangen.
    »Ich habe dich vermisst«, sagte sie. Sie schloss die Hand um meine Finger, und wir umklammerten gemeinsam den Blumenstrauß. Schließlich nahm sie ihn.
     
    »Komm rein«, meinte Elizabeth. »Hast du schon etwas gegessen? Es ist noch Linsensuppe da. Und ich habe heute Nachmittag Vanilleeis gemacht.«
    »Ich habe bereits gegessen«, antwortete ich. »Aber Eis wäre nicht schlecht.«
    Hazel hob den Kopf von Elizabeths Schulter und klatschte in die Hände.
     
    »Du hattest schon eins, Schätzchen«, erwiderte Elizabeth, küsste sie auf den Kopf und ging in die Küche. Sie setzte Hazel auf den Boden, die sich an Elizabeths Bein festhielt. Ohne einen Schritt zu tun, gelang es ihr, ein Eis, eine Schale und einen Löffel zu holen, indem sie sich vom Kühlschrank zum Schrank hinüberlehnte.
    »Das wär’s«, sagte sie, als die Schale voll war. Hazel streckte sich nach ihr, und Elizabeth hob sie mit einem Arm hoch. »Komm, wir setzen uns mit deiner Mutter an den Tisch.«
    Mein Herz klopfte, als Elizabeth so beiläufig meine Mutterschaft erwähnte. Doch Hazel zuckte nicht mit der Wimper.
    Ich setzte mich an den Tisch. Elizabeth stellte den Hochstuhl so hin, dass ich Hazel ansehen konnte, aber als Elizabeth sie
     hineinsetzen wollte, schrie sie und hielt sich an Elizabeths Hals fest.
    »Nein danke, Tante Elizabeth«,
sagte Elizabeth ruhig und unterbrach Hazels Schreien. Sie schob den Hochstuhl weg, zog stattdessen einen normalen Stuhl heran, auf den sie sich mit Hazel auf dem Schoß setzte. Hazel presste sich dicht an sie.
    »Sie wird sich an dich gewöhnen«, sagte Elizabeth. »Sie braucht eine Weile, um mit jemandem warmzuwerden.«
    »Das sagte Grant auch.«
    »Du hast Grant getroffen?«
    Ich nickte. »Gerade eben. Ich war erst hier, um dich zu sehen. Aber dann habe ich dich mit Hazel gesehen, und ich war so überrascht, dass ich mich umgedreht habe und weggelaufen bin.«
    »Ich bin froh, dass du wiedergekommen bist«, sagte sie.
    »Ich auch.«
    Elizabeth schob mir die Schale mit dem Eis hin, und wir schauten uns an.
    Ich war zurückgekommen. Vielleicht war es doch noch nicht zu spät.
    Ich aß ein Stück kaltes, cremiges Eis. Als ich aufschaute, hatte sich Hazel umgedreht. Sie beobachtete mich scheu, ihre schmalen Lippen waren geöffnet. Ich füllte den Löffel wieder und hob ihn in Zeitlupe an den Mund. Doch anstatt ihn hineinzustecken, drehte ich ihn in Richtung von Hazels wartender Zunge. Sie schluckte, lächelte und verbarg ihr Gesicht an Elizabeths Brust. Dann hob sie den Kopf und öffnete wieder den Mund. Ich nahm einen zweiten Löffel Eis und schob ihn ihr in den Mund.
    Elizabeth schaute von mir zu dem Baby. »Wie ist es dir ergangen?«, fragte sie.
    »Gut«, erwiderte ich und vermied ihren Blick.
    Sie schüttelte den Kopf. »So nicht. Ich will ganz genau wissen, wie es dir seit damals ergangen ist, von dem Moment an, als ich dich vor Gericht das letzte Mal sah. Ich will alles wissen, und fang damit an, wo du hingelaufen bist, als du aus dem Gerichtsgebäude verschwunden bist.«
     
    »Ich bin nicht weit gekommen. Meredith hat mich aufgegriffen und mich in ein Gruppenwohnheim gesteckt, so wie sie es versprochen hatte.«
    »War es schlimm?«, fragte Elizabeth. Angst stand in ihren Augen, und ich wusste, sie wollte
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