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Die verborgene Sprache der Blumen / Roman

Die verborgene Sprache der Blumen / Roman

Titel: Die verborgene Sprache der Blumen / Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vanessa Diffenbaugh
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bedauerte Grant und auch, dass ich ihr nicht mehr begegnen würde. Hazel würde ohne Großmutter aufwachsen.
    Ich drückte Grant noch ein letztes Mal, zog meinen Arm unter ihm hervor, küsste ihn auf die Stirn und richtete mich auf.
    »Du warst gut zu Hazel«, meinte ich mit zitternder Stimme. »So gut. Vielen Dank.« Ich kroch über seinen Körper hinweg und stand auf.
    »Bitte geh nicht«, sagte Grant. »Bleib hier bei mir. Du kannst im Wasserturm wohnen, und ich koche jeden Abend für dich.«
    Ich betrachtete die Bilder an den Wänden: Krokus, Schlüsselblume, Gänseblümchen. Blumen für ein kleines Mädchen. Ich konnte Grant nicht ansehen, nicht an seine Kochkünste denken. Wenn ich ihm auch nur noch ein einziges Mal in die Augen schaute oder etwas im Backofen roch, würde ich es nicht mehr über mich bringen, ihn zu verlassen.
    »Ich muss fort«, sagte ich. »Bitte verlange nicht, dass ich bleibe. Meine Tochter ist mir zu wichtig, als dass ich ihr Leben auf den Kopf stellen würde, während sie glücklich ist und gut versorgt und geliebt wird.«
    Grant erhob sich ebenfalls, schlang mir die Arme um die Taille und zog mich an sich.
    »Aber sie hat keine Mutter«, wandte er ein. »Das ist durch nichts zu ersetzen.«
    Ich seufzte. Seine Worte waren nicht dazu gedacht, mir Schuldgefühle einzuimpfen, Druck auf mich auszuüben oder mich zu überreden.
    Sie waren einfach nur wahr.
    Als ich die Treppe hinunterstieg, folgte Grant mir auf den Fersen. Im Wohnzimmer schob er sich an mir vorbei und öffnete mit einer ausladenden Bewegung die Tür. Rasch durchquerte ich die Vorhalle.
    »Komm an Thanksgiving her«, sagte er. »Die Rosen werden blühen.«
    Ich lief zur Straße vor, meine Schritte waren langsam und schwer. Obwohl ich Grants Einladung zu bleiben abgelehnt hatte, wollte ich eigentlich nicht gehen. Ich hatte das Kichern meiner Tochter gehört und Elizabeth erneut als Mutter erlebt – ihre Stimme war so streng und freundlich, wie ich sie in Erinnerung hatte – und brachte es nun nicht fertig, das alles zu verlassen. Ich wollte nicht über die Brücke zurückfahren und mich in mein blaues Zimmer zurückziehen. Und mehr als alles andere wollte ich, wie ich zu meiner eigenen Überraschung feststellte, nicht allein sein.
    Ich wartete, bis die Tür ins Schloss gefallen war. Als es so weit war, drehte ich mich um und schlüpfte ins nächstbeste Gewächshaus.
    Ich brauchte Blumen.

6.
    D er Strauß, den ich bei Grant zusammengestellt hatte, klemmte zwischen meinen Knien, als ich zu Elizabeth zurückfuhr.
    Ich parkte am Rand des Anwesens und rannte die lange Auffahrt hinauf. Aus dem Küchenfenster strömte warmes, orangefarbenes Licht. So spät im Oktober hatte ich eigentlich damit gerechnet, dass sich Elizabeth bereits, Hazel im Schlepptau, auf ihrer allabendlichen Verkostungsrunde befand. Aber offenbar saßen sie noch beim Abendessen. Ich fragte mich, wie Elizabeth trotz des Babys das Weingut geleitet und ob die Qualität der Ernte darunter gelitten hatte. Ich konnte mir nicht vorstellen, dass Elizabeth das gestattet hätte.
    Auf der Veranda blieb ich stehen und spähte zum Fenster hinein. Hazel saß, angeschnallt in einem Hochstuhl, am Tisch. Seit ich sie im Garten beobachtet hatte, war sie gebadet und umgezogen worden. Ihr feuchtes Haar, nun dunkler und lockiger, war seitlich gescheitelt und wurde von einer Spange zusammengehalten. Ein glänzendes grünes, im Nacken zusammengebundenes Lätzchen war mit etwas Weißem und Cremigem bespritzt. Hazel leckte sich die Überreste ihrer Mahlzeit von den Fingerspitzen. Elizabeth kehrte mir den Rücken zu, stand am Becken und spülte Geschirr. Als ich hörte, dass das Wasser abgestellt wurde, versteckte ich mich hinter der geschlossenen Eingangstür.
    Ich senkte den Kopf und vergrub die Nase in meinem Blumenstrauß. Er enthielt Flachs, Vergissmeinnicht und Haselnussblüten. Außerdem weiße und rosafarbene Rosen, Helenenkraut, Immergrün, Schlüsselblume und viele, viele Glockenblumen. Zwischen die eng zusammengedrängten Stengel hatte ich, kaum sichtbar, samtiges Moos gesteckt und zu guter Letzt den Strauß mit dem Pollen von Grants Rittersporn bestäubt. Der Strauß war gewaltig, reichte aber nicht annähernd aus. Drinnen öffneten sich mit einem Klicken die Schließen des Gurtes.
    Ich atmete tief ein und klopfte an die Tür.
    Elizabeth ging am Fenster vorbei und riss die Tür weit auf. Hazel saß auf ihrer Hüfte und presste das Gesicht an ihre Schulter. Ich hielt

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