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Die verborgene Seite des Mondes

Die verborgene Seite des Mondes

Titel: Die verborgene Seite des Mondes
Autoren: Antje Babendererde
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eine Polizeistation und es gab jede Menge unbebaute Grundstücke.
    Es schien so, als wollte niemand für immer an diesem trostlosen Ort bleiben.
    Hanna bog von der Hauptstraße und hielt vor einem flachen Ge bäude mit einer Zapfsäule davor. »Sam’s Grocery Store«, las Julia auf dem abgeblätterten Schild. Es war die einzige Tankstelle weit und breit und auch der einzige Lebensmittelladen in der Gegend, wie Hanna erklärte.
    Während ihre Mutter tankte, verschwand Julia nach drinnen in den Laden, um auf die Toilette zu gehen. Als sie wieder herauskam, hatte ihre Mutter schon gezahlt und den Laden verlassen. Julia lief ihr hinterher. Doch in der Schwungtür stieß sie mit einem jungen Mann zusammen.
    »He, pass doch auf, verdammt noch mal!«, herrschte er sie an und bedachte sie mit einem verärgerten Blick. Er war einen Kopf größer als Julia und trug ein rotes Kopftuch, unter dem kurze Strähnen schwarzen, glatten Haares hervorschauten. Seine Augen wirkten wie schwarze Halbmonde und er hatte ein breites Gesicht mit ho hen Wangenknochen.
    Der Junge rief Sam, dem Besitzer des Ladens, etwas zu und lief durch die Regalreihen. Es war nicht der erste Indianer, den Julia sah, seit sie in Reno gelandet waren, doch sie konnte ihren Blick nicht von ihm wenden. Dieser Junge war nicht irgendein Indianer – er war ihrem Vater wie aus dem Gesicht geschnitten.
    Julia stürzte nach draußen, wo ihre Mutter mit einem Wischer die Frontscheibe des Leihwagens von toten Insekten säuberte. Ihrem verstörten Blick nach zu urteilen, war es Hanna wie Julia ergangen, als sie den jungen Indianer gesehen hatte.
    Ein silberner Zweisitzer mit breiten roten Streifen auf der Kühler haube und der Heckklappe stand auf dem kleinen Parkplatz vor dem Laden. Vermutlich gehörte er diesem Jungen, ihrem...Es fiel Julia schwer, den Gedanken zu Ende zu denken.
    Sie stieg zu ihrer Mutter in den Wagen und Hanna startete den Motor. Als sie den Wagen wendete, kam der Junge wieder aus dem Laden, zwei Coladosen unter dem Arm. Er steckte sich eine Zigaret te an und sah ihnen mit einem so grimmigen Blick hinterher, dass Julia ein kalter Schauer über den Rücken rann.
    Eine Schotterpiste führte durch die mit graugrünen Beifußbü schen bewachsene Ebene. Sie fuhren direkt auf eine Bergkette zu, auf deren sanften Kuppen Reste von Schnee lagen, die mit Wolken-schatten gesprenkelt waren. Die Cortez Mountains.
    Seit sie die Siedlung verlassen hatten, kam es Julia so vor, als würden sie in ein endloses Nichts fahren, das aus verschiedenen Grün tönen bestand. Die Berge sahen aus, als wären sie von einem Tuch aus olivgrünem Samt überzogen, mit Flecken von dunkelgrünen Büschen. Die Beifußsträucher links und rechts der Straße schimmerten silbrig grün im Sonnenlicht.
    Julia war jetzt hellwach und konnte ihre Ankunft kaum erwarten, während ihre Mutter immer schweigsamer und stiller wurde, als würde sie erst in diesem Moment begreifen, worauf sie sich einge lassen hatte.
    Nach gut einer halben Stunde machte die Piste einen scharfen Knick nach links und sie fuhren über ein Viehgitter. Julia hielt Aus schau nach der Ranch, doch zunächst entdeckte sie nur einen klei nen Schrottplatz mit ausgedienten Fahrzeugteilen. Auf der gegen überliegenden Seite, eingezäunt von einem Koppelzaun, reihten sich im Halbrund zwei windschiefe Holzhütten und ein verbeulter rosafarbener Wohnwagen aneinander.
    Julia zeigte auf die Hütten. »Was ist das?« Fragend sah sie ihre Mutter an.
    »Keine Angst, wir sind noch nicht da. Das ist bloß das Camp«, er klärte Hanna. »Als ich deinen Vater kennenlernte, haben dort Aus steiger und Hippies gewohnt, alles Leute, die deinen Großeltern den Sommer über auf der Ranch geholfen haben.«
    »Sieht verlassen aus«, stellte Julia fest.
    »Ja, wahrscheinlich kommt keiner mehr.«
    Nach zwei weiteren Kilometern erreichten sie die Ranch . Ein Be griff, der Julia jetzt reichlich übertrieben vorkam. Vor ihr lag eine bunte Ansammlung weit verstreut stehender Behausungen, klappri ger Fahrzeuge und Landmaschinen. Dazwischen undefinierbare Ge rätschaften, die mit Sicherheit schon vor langer Zeit ausgedient hat ten. Das Ganze war umfriedet von verschiedenartigen Zäunen und kleinen Gattern mit Wellblechdächern. Hinter einem Koppelzaun grasten ein paar braune und schwarze Rinder.
    Hanna fuhr langsam, als wollte sie die Ankunft noch ein wenig hi nauszögern. Julia erinnerte sich an das weiße Haus mit den hübschen blauen Fensterrahmen auf
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