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Die uralte Metropole Bd. 3 - Lumen

Die uralte Metropole Bd. 3 - Lumen

Titel: Die uralte Metropole Bd. 3 - Lumen
Autoren: Christoph Marzi
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Augen ließen keinerlei Zweifel daran aufkommen, wie wichtig dies alles für ihn war. »Das Le Chat Noir nimmt mich für die gesamte Winterspielzeit als Solist, und wenn ich Glück habe, dann verlängern sie den Vertrag für einen Sommer. Sie planen eine Revue, etwas über Poe.« Ganz verträumt fügte er hinzu: »Und vielleicht lassen sie mich irgendwann einmal sogar ein eigenes Stück komponieren. Toulouse würde bestimmt gerne die Texte dazu schreiben. Etwas ganz Spektakuläres. Wäre das nicht toll?«
    Ein Kunde betrat den Laden und steuerte zielstrebig ein Regal an.
    Emily warf Adam einen bösen Blick zu und erkundigte sich bei dem Kunden, der, dem Abzeichen an seiner Jacke nach zu urteilen, zur Leyton-Gilde gehörte, ob sie ihm helfen könne. Der Kunde, der tatsächlich ein fahrender Händler war, verneinte und stöberte durch die Reihen alter Bücher.
    Gut so.
    Zurück zu Adam.
    »Du wirst also ein halbes Jahr in Paris sein. Wenn nicht gar länger.«
    Adam sah schuldbewusst aus. »Du kannst mitkommen.«
    »Um was zu tun?«
    Die Zeit totzuschlagen und darauf zu warten, dass ihr Freund Zeit für sie hatte?
    »Du könntest mir helfen.«
    »Wobei?«
    Auch darauf wusste er nur eine dürftige Antwort. »Du könntest etwas schreiben. War das nicht einmal ein Teil deines Traums gewesen? Eine richtige Geschichte zu schreiben? Oder …«
    »Was?«
    »Emmy, wir könnten so viele Dinge tun.«
    Der Kunde, der sich dazu entschieden hatte, nichts zu kaufen, verließ den Raritätenladen.
    Endlich!
    Emily hasste es, Gespräche dieser Art vor den neugierigen Ohren Fremder führen zu müssen, zudem, wenn sie sich noch kurz vor Ladenschluss hierher verirrten. »Sei kein Narr, Adam. Ich spreche kein Französisch, und außerdem mag ich Paris nicht sonderlich. Und das, was wir dort erlebt haben, war auch nicht unbedingt ein Anreiz, die Stadt auch nur einen Deut mehr zu mögen.«
    »Du könntest es versuchen.«
    »Nein!«
    »Emmy, bitte.«
    »Nein, verdammt noch mal!«
    So ging es weiter.
    Ein Wort ergab das andere.
    Emily war gleichermaßen traurig und wütend, und ihre Antworten wurden immer schnippischer und verletzender, weil sie mit jedem von Adams Worten selbst ein wenig mehr verletzt wurde.
    »Die Musik«, versuchte Adam ihr geduldig zu erklären, »ist mein Leben. Das weißt du doch.« Seine Ruhe und die gönnerhafte Geduld machten Emily in diesem Moment einfach rasend. Wie konnte er nur dermaßen gefasst sein in einem Augenblick, der so entscheidend war für ihrer beider gemeinsames Leben?
    »Ich dachte, dass ich dein Leben wäre.«
    »Das ist etwas anderes.«
    »Ach, ist es das?«
    »Es ist nur für kurze Zeit.«
    »Ein halbes Jahr ist keine kurze Zeit, Adam. Es ist eine Ewigkeit.« Sie wollte nicht schwach wirken. Niemals! »Aber wenn die Musik dein Leben ist, dann will ich dich natürlich nicht aufhalten.« Sie musste schlucken und spürte, wie es ihr in den Augen brannte. »Geh nach Paris und tu, was du nicht lassen kannst.«
    »Im Sommer werde ich wieder bei dir sein.«
    Da!
    War die Entscheidung also nicht längst gefallen?
    »Im Sommer wird die Welt eine andere sein.« Sie war sich nicht einmal sicher, ob er verstanden hatte, was sie meinte. »Herzen hören auf zu schlagen, wenn ihrem Klang niemand mehr zuhört. Hast du auch daran gedacht?«
    »So darfst du nicht reden.«
    Er war so versöhnlich. Und die Ruhe, die sie sonst so an Adam schätzte, wirkte plötzlich gegenteilig auf sie. Er schien mit einem Mal so berechnend, und sie hatte das Gefühl, mit einem ganz anderen Menschen zu reden als demjenigen, dem sie einst ihr Herz geschenkt hatte.
    »Ich rede«, schrie sie ihn an, »wie es mir passt!« Dann nahm sie eines der Bücher, die vor ihr lagen, und warf es mit aller Kraft auf den Boden, und die Stille im Raritätenladen zersplitterte in tausende stummer Aufschreie eines Mädchens, das geglaubt hatte, seinen Platz in der Welt gefunden zu haben.
    »Wittgenstein hat Recht, wenn er sagt, dass man die Dinge beim Namen nennen soll. Worte können so viel verschleiern, Adam, das solltest du wissen. Wenn du nach Paris gehst, dann bist du fort. Ganz einfach. Du bist fort. Keine schönen Worte. Ich will jetzt nichts Besänftigendes hören, verstehst du?! Wenn du nach Paris gehst, dann bist du nicht mehr in London. Du bist fort. Auf und davon.« Sie machte eine Pause. »Du bist nicht mehr bei mir, und das ist genau das, was dann ist.«
    Adam schwieg nachdenklich, wendete den Blick aber nicht von ihr ab.
    »Und schau mich
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