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Die Unvorhersehbarkeit der Liebe

Die Unvorhersehbarkeit der Liebe

Titel: Die Unvorhersehbarkeit der Liebe
Autoren: Goliarda Sapienza
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die Brust und die kräftigenHüften, an denen kein Gramm Fett war, und drehte sich um sich selbst, um sich besser zu zeigen. Dann kam er lachend auf mich zu. Seine Stimme war so weich wie der Stoff seiner Jacke. Noch nie hatte ich so einen Stoff berührt. Er nahm mein Kinn in die Hände und betrachtete mich immer noch lachend.
    »Groß bist du, und so rund und rot wie ein Granatapfel.«
    Mit ihm also hatte mich meine Mutter gemacht! Es war schön, mit ihm zu reden und zu lachen. Die Mama und Tina redeten nie. Jetzt würde ich mit ihm sprechen können, statt in den Wind zu rufen, wie ich es immer getan hatte … Die Hand hob mein Kinn hoch, und ich hob den Blick, um dieses Lachen besser zu sehen, als meine Mutter sich schreiend – noch nie hatte ich sie so schreien hören – zwischen mich und diesen Mann warf und versuchte, mich von ihm wegzuziehen. Dieses Schreien weckte in mir wieder die Sehnsucht nach Tuzzus Küssen, und ich schloß die Augen. Meine Mutter zog und schrie mit Tinas Stimme, und er lachte. Mit aller Kraft drängte ich sie weg. Ich wollte nicht fort von ihm. Ich wollte bei ihm bleiben und ihm zuhören.
    »Du brauchst gar nicht so zu schreien, du dumme Gans! Siehst du nicht, daß sie bei ihrem Papa bleiben will? Die Stimme des Blutes lügt niemals! Nicht wahr, du willst bei deinem lieben Papa bleiben? Sag deiner Mutter, daß du bei deinem Papa bleiben willst.«
    »Ja, ich will bei ihm bleiben!«
    Ich hatte den Satz noch nicht beendet, als meine Mutter sich, immer noch schreiend, auf mich warf und mich an den Haaren packte. Aber mit seiner großen Hand stieß er sie weg und sagte ganz sanft:
    »Paß bloß auf, faß mein Fleisch und Blut nicht an! Laßlos, oder ich drehe dir deinen vertrockneten Hühnerhals um.«
    Meine Mutter fiel in seinen Händen wie ein leeres Kleid zusammen: Sie sah wirklich aus wie ein Haufen Lumpen. Und wie einen Haufen Lumpen packten die großen Hände sie, um sie in die Abortkammer zu werfen. Als er die Tür öffnete, sah ich Tina in einer Ecke kauern. Sicher war er das gewesen. Und die Mama landete, Lumpen zu Lumpen, bei Tina. Dann schloß er ganz ruhig die Kammer ab und drehte sich mit einer komischen Geste zu mir um, so als ob er sich die Hände wüsche. Mein Herz hüpfte vor Stolz über seine Stärke.
    Als er mich in die Arme nahm, verblaßten mein Streicheln und Tuzzus Liebkosungen vor der Lust, die mir seine mächtigen und zugleich leichten Hände mit ihrem blonden Flaum bereiteten. Ich wartete. Ich erkannte an seinem Blick, was er wollte.
    »Du hast doch nicht etwa Angst bekommen? Ich habe ihr nicht weh getan, sondern sie nur für kurze Zeit aus dem Weg geräumt. Sie ist einfach zu lästig, und ich will diese prächtige Tochter in Ruhe genießen, von der ich gar nichts wußte. Ein wahres Geschenk des Himmels … Hast du Angst?«
    »Ich habe keine Angst. Das hast du gut gemacht. Warum schreit sie auch immer und bestraft mich für alles!«
    »Sehr gut. Wie ich sehe, fließt in unseren Adern das gleiche Blut, und das freut mich, das freut mich wirklich …«
    Und während er die letzten Worte immer leiser und schneller wiederholte, legte er mich mühelos aufs Bett. Er war so stark, daß ich mich leicht fühlte wie das Wollknäuel, das ich der Mama immer bringen mußte, wenn sie arbeitete. Jetzt arbeitete sie nicht. Nachdem sie eineWeile still gewesen war, fing sie hinter der Tür zu schreien an, oder war es nur Tina? Vielleicht waren es auch beide zusammen, aber das kümmerte mich nicht. Mich kümmerten nur die großen behaarten Hände, die mich auszogen. Als ich ganz nackt war, berührte er meine Brust, hörte auf zu flüstern und begann leise zu lachen:
    »Da sprießen dir ja zwei Knospen. Tut es weh, wenn ich sie berühre?«
    »Nein.«
    »Weißt du, was das für kleine Schwellungen sind?«
    »Nein. Vielleicht Furunkel?«
    »Dummerchen! Das ist dein Busen, der anfängt zu wachsen. Ich wette, daß du einen großen und festen Busen bekommst wie meine Schwester Adelina. Als sie so alt war wie du, hatten ihre Brustwarzen dieselbe Farbe wie deine, ganz rosa.«
    »Und wo ist diese Adelina, die ich noch nie gesehen habe?«
    »Tante Adelina, du mußt Tante Adelina sagen. Wenn du alles machst, was ich dir sage, nehme ich dich mit zu ihr. Sie wohnt in einer großen Stadt mit Geschäften, Theatern, Jahrmärkten … und einem großen Hafen.«
    »Wenn es einen Hafen gibt, dann ist dort auch das Meer?«
    »Natürlich ist dort das Meer, und Schiffe gibt es und wunderschöne Häuser.
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