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Die unglaublichen Abenteuer des Barnaby Brocket (German Edition)

Die unglaublichen Abenteuer des Barnaby Brocket (German Edition)

Titel: Die unglaublichen Abenteuer des Barnaby Brocket (German Edition)
Autoren: John Boyne
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in der Luft, bevor sie ihre Lippen erreichte. Einen Moment lang sah Eleanor vor sich, wie viel leichter das Leben wäre, wenn genau dies geschehen würde. Alistair schaute sie an, und es erwachte ein Gedanke zwischen den beiden – es war der Keim einer schrecklichen Idee, die aber nicht ausgesprochen wurde. Noch nicht.
    »Na ja – wenn du so besorgt bist, dann kannst du ja immer mit ihm rausgehen, wenn du von der Arbeit nach Hause kommst«, sagte Eleanor einen Augenblick später.
    »Das ist völlig unmöglich«, erwiderte Alistair schnell und schüttelte heftig den Kopf, als müsste dieser Gedanke sofort aus seinem Gehirn und seinen Ohren herausgeschleudert werden, ehe er Schaden anrichtete. »Ich werde mich auf keinen Fall – ich wiederhole: auf keinen Fall – zum Gespött der Leute hier in der Nachbarschaft machen.«
    »Gut, aber dann darfst du das auch nicht von mir verlangen.«
    »Vielleicht können wir jemanden einstellen«, schlug Alistair vor. »So wie einen professionellen Hundesitter.«
    »Aber dann müssten wir einem fremden Menschen Barnabys Eigenart erklären. Und schon würden sich sämtliche Klatschbasen gierig darauf stürzen.«
    »Stimmt. Aber was ist mit der Schule?«
    »Wie – was ist mit der Schule«, fragte Eleanor mit gerunzelter Stirn. »Wie meinst du das? Er geht nicht in die Schule.«
    »Noch nicht. Aber bald. In ein paar Monaten geht’s los. Wenn er so bleich ist, denken alle Leute, dass irgend etwas mit ihm nicht stimmt.«
    »Aber es stimmt doch, dass etwas mit ihm nicht stimmt, Alistair.«
    »Ich meine, sie denken, er hat eine Hautkrankheit, und keiner will sich neben ihn setzen. Und eh wir’s uns versehen, zwingt uns die Schulbehörde, beim Schularzt vorzusprechen, und wer weiß, was das für Probleme nach sich zieht. Vielleicht setzen sie es in das monatliche Rundschreiben, und dann weiß jeder, dass ich einen schwebenden Jungen gezeugt habe. Nein, tut mir leid, Eleanor, aber da muss ich ein Machtwort sprechen.«
    »Was musst du?«, fragte Eleanor ungläubig.
    »Ich muss ein Machtwort sprechen«, wiederholte er mit mehr Nachdruck. »Ich bin der Familienvorstand, und ich erkläre hiermit, dass wir das Geglotze und den Tratsch auf uns nehmen müssen. Der Junge muss an die Sonne. Du kannst gleich morgen damit anfangen, wenn du mit Captain W. E. Johns Gassi gehst.«
    Der Hund wedelte mit dem Schwanz, als er dieses wunderbarste aller Wörter hörte – zwei kurze Silben, die so viel Glück verhießen –, und Eleanor, die viel zu erschöpft war, um länger Widerstand zu leisten, stimmte zögernd zu. Und so kam es, dass sie am nächsten Morgen – es war ein klarer, sonniger Tag, ideal, um ein bisschen Farbe auf die Wangen eines blassen Jungen zu zaubern – in die Hände klatschte, um Captain W. E. Johns zu rufen. Dann hakte sie die Leine an sein Halsband, bevor sie auf einen Küchenstuhl kletterte, um Barnaby von der Decke zu holen.
    »Wir machen einen Spaziergang«, sagte sie betont sachlich zu ihm.
    »Im Haus?«
    »Nein, draußen.«
    »Draußen?« Barnaby hatte keine Sekunde daran geglaubt, dass seine Mutter tatsächlich tun würde, was sein Vater am vergangenen Abend ihr so streng befohlen hatte.
    »Ja, genau. Aber bevor wir losgehen – tja, tut mir leid, aber ich habe keine andere Wahl.«
    Mit diesen Worten nahm sie Captain W. E. Johns’ dehnbares Ersatz-Halsband und die zweite Leine, die in der Küchenschublade aufbewahrt wurde, und ein paar Minuten später waren sie unterwegs.
    Sie boten einen ungewöhnlichen Anblick, als sie das Haus in Kirribilli verließen und die Straße entlanggingen, die zum Haus des Generalgouverneurs am südlichen Ende der Halbinsel führte. Eine Frau mittleren Alters, die mit gesenktem Kopf dahintrottete, ein Hund von undefinierbarer Rasse und Herkunft, der munter ein paar Meter vor ihr her lief, während sie seine Leine mit der linken Hand festhielt, und dann noch ein vierjähriger Junge, der, weiß wie ein Gespenst, über den beiden schwebte, und zwar an einer Leine, die Eleanor mit der rechten Hand umklammerte.
    Barnaby Brocket war ein Drachen geworden.

Ein SPAZIERGANG
    Sie gingen nach Norden, in Richtung St. Aloysius’ College, wo Henry die fünfte Klasse besuchte. Aber als die Klingel ertönte und man im Inneren des Gebäudes die Kinder die Treppen hinunterpoltern hörte, bog Eleanor schnell ab und strebte zur Jeffrey Street, zur ehemaligen Anlegestelle der Fähren, wo sie immer gerne stand, um übers Wasser hinweg zu den Segeln der Oper, zu der
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