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Die unglaublichen Abenteuer des Barnaby Brocket (German Edition)

Die unglaublichen Abenteuer des Barnaby Brocket (German Edition)

Titel: Die unglaublichen Abenteuer des Barnaby Brocket (German Edition)
Autoren: John Boyne
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ausgesprochen klug«, sagte Eleanor. »Er liest die ungewöhnlichsten Bücher. Am liebsten Bücher von Autoren, die schon tot sind«, ergänzte sie mit einem leisen Lachen, als hätte sie noch nie so etwas Seltsames gehört.
    »Er ist noch nie in Schwierigkeiten geraten«, sagte Alistair. »Aber wir glauben, dass Barnaby davon profitieren würde, wenn er – wie soll ich es sagen – wenn er ein bisschen besondere Aufmerksamkeit bekommt.«
    Mrs Hooperman-Hall lächelte und strich sich über den Schnurrbart. Sie sah aus wie eine Ziege, auch wenn ihre Schneidezähne eher an ein Dromedar erinnerten. Ehe sie sprach, fuhr sie mit der Zunge über den klebrigen dunkelroten Lippenstift, der in ihren Mundwinkeln haftete wie Mörtel an einem Backstein, und schob die dicke Schicht hin und her, was ziemlich ekelhaft aussah.
    »Alistair und Eleanor«, sagte sie. »Oder darf ich Mr und Mrs Brocket zu Ihnen sagen? Wir hier an der Akademie haben öfter unter dem Missverständnis zu leiden, dass unsere Schüler angeblich schwieriger sind als die Schüler in anderen Schulen. Ja, es stimmt, dass manche unserer Schüler schon wiederholt in Einrichtungen für junge Straftäter eingewiesen wurden, bevor sie gehen gelernt haben. Und – ja, es ist eine bedauerliche Tatsache, dass wir in jedem Klassenzimmer Sicherheitskameras haben und über jeder Tür Metalldetektoren. Und – nein, wir haben nichts am Hut mit diesem modernen Schnickschnack, der vorschreibt, dass alle unsere Lehrkräfte staatlich zertifiziert sein müssen – was immer das bedeuten mag. Ich habe diesen Ausdruck noch nie so ganz verstanden. Sie etwa?«
    »Nun ja, ich glaube, es heißt, dass –«
    »Aber trotz allem sind wir stolz darauf, dass wir unsere Türen jeden Morgen um acht Uhr öffnen und sie nachmittags um drei dann wieder mit einem Vorhängeschloss sichern. Und obwohl nicht besonders viel Sinnvolles geschieht in den acht Stunden dazwischen –«
    »Ich glaube, es sind sieben Stunden«, wandte Alistair ein, der schon immer sehr gut rechnen konnte.
    »Obwohl in diesen acht Stunden dazwischen nicht besonders viel Sinnvolles geschieht«, wiederholte Mrs Hooperman-Hall unbeirrt, »halten wir Ihnen wenigstens Ihre Kinder vom Leib – und genau das ist es doch, was Sie wollen, wenn wir ehrlich sind. Wir akzeptieren hier, dass die Menschen verschieden sind«, fügte sie betont großzügig hinzu. »Ihr kleiner Barnaby schwebt also. Na und? Wir haben ein sechsjähriges Kind, das hüpft wie ein Känguru. Ein Mädchen hat einen Raubüberfall auf ein Spirituosengeschäft gemacht, und sie weigert sich zu sagen, wo sie die Beute versteckt hat. Ein drittes Kind spricht fließend Französisch. Aber nehmen wir das den Kindern übel? Nein, keineswegs.«
    Das genügte Alistair und Eleanor. Kurz darauf verließen sie die Schule und gaben sich große Mühe, nicht zu bemerken, dass die Tapete von den Wänden abblätterte, dass im Teppich überall Brandlöcher von Zigaretten waren und dass die dicht daneben stehenden überfüllten Papierkörbe eindeutig eine Feuergefahr bedeuteten.
    Weil Barnaby in seinem kurzen Leben bisher nur wenig Kontakt zu anderen Kindern gehabt hatte – außer zu Henry und Melanie natürlich –, war er verständlicherweise während seiner ersten Woche an der Akademie für unerwünschte Kinder ziemlich nervös. Zum Glück wurde er jedoch neben einen anderen neuen Jungen gesetzt, der Liam McGonagall hieß und dessen Ur-Ur-Urgroßvater einer der ersten Kriminellen war, die man im neunzehnten Jahrhundert per Schiff von England nach Australien geschickt hatte. Vorher war dieser Ur-Ur-Urgroßvater bereits aus Irland vertrieben worden, weil er auf eine Statue von König Georg IV. gepinkelt hatte. Genau wie Barnaby fand Liam die Vorstellung, den ganzen Tag in einem Klassenzimmer mit lauter fremden Kindern zu verbringen, ziemlich einschüchternd. Auch er hatte bisher keine Freunde gefunden, weil er mit einer unglücklichen medizinischen Abnormalität geboren worden war: Seine Arme endeten an den Handgelenken, und da, wo eigentlich die Hände sein müssten, hatte er zwei praktische Haken aus Edelstahl. Das erschreckte die meisten Kinder in der Klasse, doch Barnaby störte sich nicht im geringsten daran. An dem Morgen, als sie sich das erste Mal begegneten, hätte er Liam sogar sehr gern den rechten Haken geschüttelt, aber das ging nicht, weil Mrs Hooperman-Hall ihn immer an der Eingangstür abholte und ihn direkt an seinen Platz schleifte, wo sie ihn mit einem
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