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Die Ueberbuchte

Die Ueberbuchte

Titel: Die Ueberbuchte
Autoren: Doris Rawolle
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verändert, so wie wir uns alle im Laufe der Jahre verändern – was auch gut so ist.«
    »Und wenn schon«, warf er widerwillig ein und wandte sich ihr ärgerlich zu. »Außerdem habe ich nie begriffen, was du eigentlich willst?! Ich habe mir weder etwas zuschulden kommen lassen, noch einen unrühmlichen Lebenswandel an den Tag gelegt – also was willst du?«
    Sichtlich erschrocken über seinen Unmut, sagte sie dennoch klar und deutlich: »Siehst du, allein diese Reaktion beweist wie recht ich habe, denn früher wäre deine Antwort ein amüsantes Lachen gewesen; und keinerlei vage Mutmaßung hätte dich jemals zum Zorn reizen können. Im Gegenteil, dein ungeheurer Gleichmut, dein immer gutes drauf sein, dein …« Sie stockte plötzlich und hob wie entschuldigend beide Hände. »Eben deine ungeheure Leichtigkeit, die verdammt noch mal, nur aus deiner absolut egoistischen Oberflächlichkeit entstehen konnte, habe ich bereits im Kindesalter aus tiefster Seele verflucht und gleichzeitig bewundert. Dir war einfach nicht beizukommen – totale Unschuld …« Sie ließ erschöpft die Schultern sinken, denn sie hatte sich ordentlich in Rage geredet.
    Schweigen folgte – beredtes Schweigen.
    Keiner wusste oder wagte etwas zu erwidern. Dagmar vielleicht aus der Scheu heraus, sowieso schon viel zu viel gesagt zu haben; und Knut aus der Unsicherheit heraus, sie könnte nicht ganz Unrecht haben.
    »Bitte Knut, es tut mir leid«, unterbrach sie das Schweigen, »ich wollte dich wirklich nicht verletzen – denn jetzt weiß ich, dass man es kann.« Sie holte tief Luft und lächelte ihn herzlich an. »Außerdem freue ich mich viel zu sehr über deinen überraschenden Besuch, als dass ich mit dir streiten möchte.«
    »Trotz allem …« Er verstummte, überlegte mit gerunzelter Stirn, dann erst fuhr er unentschlossen fort: »Ich finde es ziemlich unerhört, dass du, und vielleicht auch die anderen, mich für oberflächlich haltet. Das Bitteschön musst du mir schon etwas genauer erklären.«
    »Du meine Güte, Knut, das war ja nur mein persönlicher Eindruck, weil du niemals und zu keiner Zeit irgendein Interesse, ja irgendeine Anteilnahme an deinen Mitmenschen erkennen ließest. Dich haben weder die erfreulichen, noch die schmerzlichen Dinge jemals erreichen können. Du warst irgendwie nicht vorhanden …«
    Über diese seltsame Schlussfolgerung musste er nun doch lachen. »Meinst du nicht, dass das reichlich überspitzt klingt – zumal aus deinem Munde? So viel mir bekannt ist, hast du dich auch ganz schön rausgehalten. Oder wäre es dir lieber gewesen, ich hätte mich dauernd in euer Leben eingemischt? Siehst du«, nickte er verständnisvoll, »jeden alles recht zu machen, ist wahrlich eine Kunst. Aber zu deiner Beruhigung sei gesagt; ich habe mich tatsächlich um nichts und niemand gekümmert. Vielleicht auch ein Merkmal meines Berufes, ständig auf Achse zu sein, ohne jemals einen wirklichen Ruhepol gefunden zu haben. Und wiederum wäre ein solches Leben, mit eventuell andauernden Familien- und Verwandtenstress im Nacken, unendlich schwieriger zu bewältigen gewesen. Das soll aber nicht heißen, dass mein persönlicher Freiheitszwang nur auf Bequemlichkeit beruhte – wenigstens das geschah vollkommen unbewusst; das musst du mir schon glauben. Übrigens, auch wenn es enttäuschend für dich klingen mag; ich möchte dennoch nicht eine einzige Sekunde davon missen!«
    »Nun ja, das glaube ich dir unbesehen – nur, du bist älter geworden, gilt das dann immer noch?«
    »Ich denke schon …« Und mit erhobener Braue fügte er nachdenklich hinzu: »Oder besser gesagt, ich hoffe es. Auch wenn ich, wie du richtig bemerkt hast, reifer, nachdenklicher, oder auch nur älter geworden bin, und möglicherweise etwas mehr an Tiefe gewonnen haben sollte, wird sich meine Grundeinstellung, meine ureigenste Wesensart kaum verändern lassen – was wohl auch nicht wünschenswert wäre; findest du nicht auch?«
    »Wahrscheinlich hast du sogar recht. Wir neigen sowieso viel zu leicht zur Verurteilung uns nicht nachvollziehbaren Lebensauffassungen.« Sie lachte. »Natürlich könnte man das auch einfacher formulieren: Nur was wir selbst kennen, akzeptieren wir auch.« Nun erhob sie sich, legte dabei zärtlich den Arm um seine Schultern und flüsterte nahe an seinem Ohr: »Ich freue mich jedenfalls unbändig, dass du wieder einmal zu uns gefunden hast.«
    Er erwiderte nichts. Nur seine hellen Augen bekamen einen gerührten, weichen
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