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Die Tudor-Verschwörung: Historischer Roman (German Edition)

Die Tudor-Verschwörung: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Die Tudor-Verschwörung: Historischer Roman (German Edition)
Autoren: Christopher W. Gortner
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Annahme doch logisch, dass Lady Dudley, wenn nicht sogar der Herzog selbst, ihm auch andere, weniger schmeichelhafte Wahrheiten über mich erzählt hatte. Es war ja nicht so, als wäre ich ihrer Verschwiegenheit wert. Und wenn ich jemanden, der ihr Vertrauen genoss, mit einer groben Unwahrheit abspeiste, konnte das die wenigen Aussichten, die ich hatte, es am Hof zu etwas zu bringen, im Ansatz zunichtemachen.
    Ich erwiderte seinen sanften Blick und sagte: »Prescott ist nicht mein wirklicher Name.«
    »Oh?« Seine Augenbrauen wanderten nach oben.
    Erneut befielen mich Zweifel. Noch hatte ich Zeit, es mir anders zu überlegen. Noch konnte ich ihm eine Erklärung geben, die nicht allzu weit von der Wahrheit abwich. Ich hatte keine Ahnung, warum ich das nicht tat, warum ich das überwältigende Bedürfnis verspürte, die Wahrheit zu sagen. Nie hatte ich einem Menschen wissentlich das Geheimnis meiner Geburt anvertraut. Von dem Tag an, da ich entdeckt hatte, dass mein persönlicher Mangel mich zur Zielscheibe von Sticheleien und grausamen Mutmaßungen machte, hatte ich mir vorgenommen, nur immer das Nötigste über mich preiszugeben. Es bestand kein Anlass, Einzelheiten zu verraten, die keiner hören wollte, oder Spekulationen herauszufordern.
    Doch in seinen Augen spürte ich eine stille Nachdenklichkeit, die mir das Gefühl vermittelte, dass er mich verstehen, vielleicht sogar Anteil nehmen würde. Mistress Alice hatte mich oft so angeschaut und ein Verständnis gezeigt, das auch den kompliziertesten Wahrheiten keineswegs auswich. Ich hatte gelernt, diese Eigenschaft zu schätzen.
    Ich holte tief Luft. »Ich bin ein Findelkind. Mistress Alice, die Frau, die mich aufgezogen hat, hat mir meinen Namen gegeben. In früheren Zeiten haben oft Kinder mit dem Namen Prescott im Pfarrhaus gelebt. Dort wurde ich auch gefunden – im ehemaligen Pfarrhaus in der Nähe von Dudley Castle.«
    »Und Euer Vorname?«, erkundigte er sich. »Geht der auch auf Mistress Alice zurück?«
    »Ja. Sie stammte aus Irland. Sie verehrte den heiligen Brendan aus tiefstem Herzen.«
    Ein bedrückendes Schweigen trat ein. Die Iren waren in England wegen ihrer Aufsässigkeit verhasst, doch bisher hatte mein Name nie übermäßige Neugier geweckt. Während ich auf Cecils Antwort wartete, befiel mich wieder die Furcht, einen Fehler begangen zu haben. Zwar konnte man den Nachteil, ein uneheliches Kind zu sein, mit viel Fleiß durchaus ausgleichen, doch nur wenigen gelang der Aufstieg. In der Regel war man aufgrund des fehlenden Stammbaums im besten Fall zu einem Leben als namenloser Knecht verdammt, und im schlimmsten zu einem Bettlerdasein.
    Schließlich sagte Cecil: »Wenn Ihr von ›Findelkind‹ sprecht, meint Ihr damit wohl, dass Ihr ausgesetzt wurdet?«
    »Ja. Ich war höchstens eine Woche alt.« Obwohl ich mir alle Mühe gab, ungerührt zu wirken, hörte ich die nur zu vertraute Anspannung in meiner Stimme, die Last meiner Hilflosigkeit. »Mistress Alice musste in der Stadt eine Amme verpflichten, damit ich gestillt werden konnte. Wie es das Schicksal so wollte, hatte dort gerade eine Frau ihr Kind verloren, sonst hätte ich vielleicht gar nicht überlebt.«
    Er nickte. Bevor sich erneut verlegene Stille über uns senken konnte, plapperte ich weiter. »Mistress Alice hat oft gesagt, die Mönche hätten Glück gehabt, dass ich nicht vor ihrer Tür ausgesetzt worden bin. Ich hätte ihnen gewiss die Speisekammer leer gegessen – und was hätten sie dann noch gehabt, um den Sturm zu überstehen, den der alte Henry für sie zusammengebraut hat?«
    Ich war schon in Lachen ausgebrochen, als ich meinen Fehler bemerkte. Ich hatte mich zur Religion geäußert, die am Hof wohl nicht gerade ein sicheres Thema war. Fast hätte ich noch hinzugefügt, dass es laut Mistress Alice nur eines gab, was noch größer war als mein Appetit: mein Mundwerk.
    Cecil blieb stumm. Schon hielt ich mir vor, dass ich mir jetzt mit meiner Indiskretion Scherereien eingebrockt hatte, als er murmelte: »Wie schrecklich für Euch.«
    Die gefühlvollen Worte fanden keine Entsprechung in seinen forschenden Augen, die mich fixierten, als wollte er sich mein Gesicht für immer einprägen. »Diese Mistress Alice … könnte es sein, dass sie wusste, wer Eure Eltern waren? Solche Dinge geschehen normalerweise in der näheren Umgebung. Ein unverheiratetes Mädchen gerät in andere Umstände und schämt sich zu sehr, um sich jemandem anzuvertrauen – das kommt leider viel zu oft
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