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Die Traenen des Mangrovenbaums

Die Traenen des Mangrovenbaums

Titel: Die Traenen des Mangrovenbaums
Autoren: Anne de Witt
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Hochzeitsreise sah, war ich ein wenig besorgt, wie eine zarte, kaum erblühte Frau mit den Plagen und Gefahren der Tropen zurechtkommen würde. Aber nicht nur Ihre Gesundheit ist besser denn je, Sie sind auch sonst sehr … sehr gut gediehen. Sie wirken reif, erwachsen und zugleich immer noch jugendlich.« Dann, als fürchtete er, zu viel gesagt zu haben, wechselte er rasch das Thema.
    Die Reise verlief ohne Zwischenfälle. Simeon war ruhig und bei verhältnismäßig guter Gesundheit, als die Anne-Kathrin im Hamburger Hafen anlegte und die Reisenden nach drei Jahren der Trennung von der Familie Lobrecht empfangen wurden.
    Elmer Lobrecht war es als routinierter Geschäftsmann gewöhnt, sich seine Gefühle nicht ansehen zu lassen, aber Anna Lisa, die ihren Vater kannte, entdeckte sein kaum merkliches Zusammenzucken beim Anblick seines früh gealterten, gebrechlichen Schwiegersohns. Sie beeilte sich, ihm und ihren Brüdern zu versichern: »Wir hatten eine angenehme Reise, und es geht uns allen sehr gut. Nur müde sind wir von der endlosen Schaukelei.«
    »Dann wollen wir jetzt kein großes Tamtam machen, sondern euch erst einmal ein paar Tage in Ruhe lassen. Aber meine Enkelkinder muss ich ansehen! He! Bürschchen, du bist also unser Stammhalter?« Er betrachtete den zweieinhalbjährigen Jakob, der sich selbstbewusst und furchtlos vor ihm aufgebaut hatte und ihn höflich begrüßte. »Er sieht dir mächtig ähnlich, Anna Lisa, nur schade, dass er auch deine kleine Statur geerbt hat. Aber was er für einen feurigen Blick hat! Und wie er dasteht! Er wird einmal ein Kapitän, ihr werdet sehen!«
    Simone bekam, da sie eben nur ein Mädchen war, weniger Aufmerksamkeit; sie wurde kurz als »sehr hübsch und sicher ein braves kleines Mädchen« bezeichnet, das war es dann auch. Sie kümmerte sich indessen nicht weiter darum, sondern klammerte sich mit ihrer einen kleinen Hand am Hosenbein ihres Vaters und mit der anderen an Tietjens’ Halsband fest und schien vollauf zufrieden mit dieser Gesellschaft.

1883 bis 1905
    W ie Dr. Lutter es ihnen geraten hatte, führten die Vanderheydens ein stilles, zurückgezogenes Leben. Anna Lisa wusste sehr wohl, dass ihnen gar nichts anderes übrig geblieben wäre, denn in der Gesellschaft wurden sie geschnitten. Es hatte sich herumgesprochen, Simeon Vanderheyden sei wahnsinnig, und die Hamburger gute Gesellschaft hielt ebenso ängstlich von ihnen Abstand wie die gemeenschap in Batavia und Umgebung. Jeder wusste, dass sein Schwiegervater sein Vermögen verwaltete und Dr. Julius Ascher ihn in rechtlichen Dingen vertrat. Tatsächlich jedoch hatten Dr. Liaos Theriak und das Leben im heimatlichen Deutschland viel dazu beigetragen, dass der Zustand des Kranken sich merklich besserte. Obwohl körperlich gebrechlich, war er jetzt zumeist bei völlig klarem Verstand, nur hin und wieder machte das Gift sich durch plötzliche Angstanfälle und Furcht einflößende Halluzinationen bemerkbar. Er wäre durchaus in der Lage gewesen, sich selbst um seine Angelegenheiten zu kümmern, aber er fand es weit angenehmer, seine Geschäfte tüchtigen Leuten zu überlassen und sich selbst seinen Vorlieben zu widmen.
    Anna Lisa hatte ihrem Vater, aber niemand anderem in Hamburg berichtet, wie es zu Simeons Krankheit gekommen war, und Herr Lobrecht war der Meinung, dass man dem Unheil nicht noch den Skandal hinzufügen musste. Es gab in Java genug Möglichkeiten, sich eine schlimme Krankheit zuzuziehen; es war nicht notwendig, das Ansehen der Familie zu schänden, mit der die Lobrechts wohl oder übel verschwägert waren.
    Es wollte also niemand etwas mit den Vanderheydens zu tun haben, andererseits wollte niemand riskieren, sich durch unbedachte Bemerkungen den Zorn der mächtigen Lobrechts zuzuziehen, also wählte man den Mittelweg, das junge Ehepaar totzuschweigen. Simeon kam diese Isolation sehr entgegen. Sie hatten eine Villa in einem ummauerten Park gekauft, die in der vornehmen Gegend am Ufer der Alster lag, und dort konnte er sich in aller Ruhe seiner Leidenschaft hingeben. Da er jetzt Geld genug hatte, sammelte er seltene und kostbare botanische Bücher, und die Wissenschaftler seines Fachs, die Agenten und Buchhändler, Gärtner und Kräuterdoktoren nannten ihn einen zwar körperlich gebrechlichen, aber sehr verständigen Mann, mit dem es eine Freude war, über Botanik zu diskutieren. Sie folgten gerne den Einladungen in die Villa, zu deren regelmäßigen Gästen auch der – mittlerweile sehr
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