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Die Tränen der Massai

Die Tränen der Massai

Titel: Die Tränen der Massai
Autoren: Frank Coates
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einfacher, bitte.«
    »Telefone. Faxe. Einfache Sachen. Ich bringe das Zeug in die Dörfer, baue die Verbindungen auf. Damit ihr Jungs, die Gesundheitsleute und alle anderen weitermachen können.«
    »Hm. Der Telefon-Mann.«
    »Genau.«
    Jack griff wieder nach seinem Bleistift und betrachtete den Mann, der ihm gegenübersaß, genauer. Er hatte einen Quadratschädel mit ein paar schütteren, ergrauenden Strähnen, die in alle Richtungen abstanden, als würden sie bei der geringsten Bewegung davonfliegen. Es gab kaum einen Übergang zwischen dem klotzigen Kopf und den breiten Schultern in dem verknitterten Hemd. Die rötliche Haarmatte auf den Unterarmen konnte die Sommersprossen nicht vollkommen verbergen. Hoffmans beiläufige, offene Art war ein erfrischender Kontrast zu den meisten UN -Schreibtischhockern, denen Jack in den letzten paar Tagen begegnet war. Sie waren ihm alle wie Klone von Bhatra vorgekommen, und er nahm an, dass keiner von ihnen jemals einen Fehler zugeben würde. Sie hatten endlos viele Gründe, wieso dies oder das nicht getan werden konnte. Man hatte es schon öfter versucht. Es hatte nicht funktioniert. Bürokraten. Dieser »Bear« machte zumindest den Eindruck, als wäre er am Leben. Jack betrachtete den mottenzerfressenen Streifen von Bart, der von einem Ohr zum anderen über das Kinn des Mannes lief; es ließ ihn aussehen, als trüge er einen deutschen Helm aus dem Zweiten Weltkrieg mit Kinnriemen.
    »Kommt das Bear von Eisbär oder von Grizzlybär?«
    »Mann, ich kann sowohl grau als auch cool sein. Ich kann sein, was ich will, je nach Stimmung. Die schwarzen Mädels mögen mich am liebsten, wenn ich ein Honigbär bin.«
    Jack lächelte widerwillig. »Jetzt weiß ich, dass Sie mich verarschen.«
    »Ha!« Bear lachte und schlug sich aufs Knie. »Aussie, ich glaube, Sie sind in Ordnung.« Er lachte leise weiter. »Haben Sie Ihre Familie dabei?«
    »Sie geben nicht auf, wie?«
    Bear verzog gequält das Gesicht, zuckte die Achseln und hob die Hände. »Heh! Bei den Vereinten Nationen sind wir doch alle Brüder, oder?«
    Jack schüttelte ungläubig den Kopf. Es war unmöglich, diesen Mann zu beleidigen.
    »Sie sind Single. Das wittere ich auf eine Meile Abstand. UN -Single Nummer Fünf – das sind Sie. Vergessen Sie die anderen. Ein Haufen Arschlöcher. Also gut, Jack, haben Sie Hobbys?«
    »Hobbys?«
    »Sie wissen schon, Sport und so.«
    »Sport? Wer kann in diesem Klima schon Sport treiben?«
    »Sind Sie nach der Arbeit mal ausgegangen? Eine Bar? Irgendwas?«
    »Nein.«
    »Laufen Sie?«
    »Meinen Sie joggen? Das soll wohl ein Witz sein.«
    »Wir sollen Sie ein bisschen hier rausbringen. Wieso kommen Sie heute Abend nicht mit zum Querfeldeinlauf meines Vereins?«
    »Was ist das für ein Verein?«
    »Die Hash House Harriers. Erst Laufen, dann Saufen. Sie trinken doch Alkohol, oder?«
    »Ja.«
    »Haben Sie Laufschuhe?«
    »Ja, aber –«
    »Gut. Wir fangen um fünf Uhr an. Geländelauf, etwa vier, fünf Meilen. Danach ein paar Bier. Wie sieht’s aus?«
    »Äh …« Jack fuhr sich mit der Hand übers Kinn.
    »Kommen Sie schon. Sie müssen ein bisschen unter die Leute gehen.« Er machte eine kreisende Bewegung mit den Händen. »Dinge in Bewegung setzen. Sie sind jetzt in Afrika, Mann. Genießen Sie es.«
    Jack sah ihn an. »Was soll’s. Na gut.«
    »Es wird Ihnen gefallen.« Bear stand auf. »Also gut, ich muss gehen. Wir sehen uns gegen halb fünf. Bis dann, Jack.«
    Jack war ein bisschen verlegen, als Bear sein Büro verließ. Er fühlte sich immer noch irgendwie bedrängt, wenn andere, vor allem Fremde oder neue Bekannte, harmlose Fragen über sein Leben stellten. Es würde noch eine Weile dauern, bis er darüber hinwegkam. Vielleicht erwartete er ja zu viel von der kurzen Zeit, seit er Sydney verlassen hatte. Es war schwer gewesen, sich loszureißen, aber ihm war nichts anderes übrig geblieben.
    »Ich gehe nach Afrika«, hatte er seiner Familie erzählt. Nach ihrer Ansicht war es eine Flucht. Und sie hatten Recht. Aber aus den falschen Gründen. Sie verstanden es nicht, weil sie es nicht wussten. Niemand wusste es. Nicht seine Eltern. Nicht Liz. Ganz besonders nicht Liz.
    Es war Angst, die ihn trieb. Angst – die ultimative Triebkraft. Wenn es um Selbsterhaltung ging, war Logik manchmal ein Luxus, den man sich nicht leisten konnte. Und falls Angst als Grund nicht genügt hätte, hätte ihn das Bedürfnis angetrieben, vor dem Selbsthass zu fliehen, der wie Ketten an ihm hing.
    Jacks
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