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Die Tränen der Massai

Die Tränen der Massai

Titel: Die Tränen der Massai
Autoren: Frank Coates
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würde.
    Das Leben mit Liz war immer einengender geworden. Ihre Wohnung hatte sich um sie geschlossen. Die Unschuld, die ihn umgab, war ein Affront; ihr Charme eine Obszönität in einer Welt, die nun einen fatalen Makel hatte. Wenn seine Liebe zu Liz verschwand, nahm finstere Verzweiflung ihren Platz ein.
    Bald wurde es mehr, als er ertragen konnte. In solchen Momenten verließ er leise das Haus und ging die Lagoon Street entlang zu den fünf Kilometern Sand am Long Reef. Auf der Landspitze, wo der tosende Südwind ihm das Haar ins Gesicht peitschte, schaute er hinab in die Brandung an den massiven Sandsteinblöcken und fragte sich, ob er es wohl wagen würde, zu springen, während ein anderer Teil von ihm Visionen seiner blutigen Leiche zwischen den wirren Algen auf dem Felssims drunten heraufbeschwor.
    Etwas hatte geschehen müssen. Irgendetwas.
    Dann hatte er von der Position erfahren. Es war durchaus üblich, dass Jobs bei den Vereinten Nationen auch in den Schwesterverwaltungen ausgeschrieben wurden. Afrika. Bei all seinen hektischen Versuchen emotionaler Flucht hatte er bisher nie daran gedacht, Australien zu verlassen. Er schrieb seinen Namen auf die Bewerbungsliste und dachte nicht weiter darüber nach.
    Drei Wochen später hatte er die Stelle. Er erfuhr erst im Nachhinein, dass er der einzige Bewerber gewesen war.
    Einen Monat bevor die UN ihm schließlich das Abflugdatum nannten, zog Jack aus der gemeinsamen Wohnung aus. Als er seine letzten Sachen holte und Liz sich von ihm verabschiedete, hatte sie auf diese traurige, resignierte Art gelächelt, die nicht ganz ihre ehrlichen grauen Augen erreichte. Er hatte gezögert und sie dann leicht auf den Mund geküsst. Irgendwann später an diesem Abend, als sein Geist am Rand des Schlafs verharrte, war ihm aufgefallen, dass Liz kein bisschen überrascht gewirkt hatte. Sie hatte schon die ganze Zeit erwartet, dass er sie irgendwann nicht mehr lieben würde.
     
    Die Scheinwerfer eines näher kommenden Autos beleuchteten das Innere von Bears Landrover. Jack starrte das leere Fach in seiner Brieftasche an, wo sich einmal Liz’ Foto befunden hatte. Er steckte die Brieftasche ein und schlug die Wagentür zu, wütend, weil er sich gestattet hatte, in diesem rückgratlosen Selbstmitleid zu versinken.
    Rasch kehrte er in das Lokal zurück und sprang die Stufen zur Steinterrasse hinauf. Der Barbereich war auf drei Seiten offen für die kühle Nachtluft. Ein mottenzerfressener ausgestopfter Grizzlybär stand in erstarrtem Zorn neben der Jukebox. Bunte Laternen wackelten in der milden Brise, während eine Gruppe ebenso bunt gekleideter schwarzer Frauen sich zwischen den anderen Gästen bewegte und Getränke servierte oder schnorrte.
    Bear und Lars standen mit ein paar anderen Läufern, überwiegend Männern, an der Theke. Die meisten trugen immer noch verschwitzte Shorts und Turnschuhe. Niemand hier schien sich daran zu stören.
    Bear wandte sich von der Bar ab und kam Jack zu einem der abgesägten Baumstämme entgegen, die als Tische dienten. »Wo wirst du wohnen, wenn dein Zeug kommt?«, fragte er, als er Jack sein Bier reichte.
    Jack trank einen Schluck. »Nairobi Hill. Und bis dahin im Jacaranda.«
    »Ich wohne in Westlands. Komme jeden Morgen bei dir vorbei. Kann dich mitnehmen.«
    »Danke, aber ich habe einen Fahrer, bis mein Auto kommt.«
    »Ondieki?«
    »Ja, genau.«
    »Ondieki ist ein unzuverlässiger Mistkerl. Er fährt diesen Landrover, als wäre er eine Schildkröte. Ich sollte dich abholen.«
    Im hinteren Teil der Bar, wo vier Männer in Anzügen und ein paar Mädchen Pool spielten, brach ein Streit in Swahili aus.
    »Das klingt nach zu viel Mühe. Ich komme schon mit Ondieki zurecht.«
    »Überhaupt keine Mühe. Hey, in den Vereinten Nationen sind wir alle Brüder.«
    »Wenn du meinst.«
    »Ja, verdammt noch mal.«
    Lars kam mit drei jungen Frauen zu ihnen. Eine war eine Läuferin, immer noch in Sportkleidung. Ihre dunkle Haut schimmerte unter den Laternen. Jack nahm an, dass sie alle Anfang zwanzig waren. »He, Jungs, das hier ist Flo«, sagte Lars und legte die Hand auf die Schulter des Mädchens in Shorts. »Und das sind Jo und Bo.«
    Die drei Frauen lachten.
    Baer sagte: »Hallo, Ladies, ich bin Bear, und das hier ist mein neuer Kumpel Jack.«
    »Hallo, Jack«, sagte Flo lächelnd. »Ich hab dich heute Abend beim Lauf gesehen.«
    Jack verzog verlegen das Gesicht. »Tatsächlich?«
    Sie schien seine Verlegenheit nicht zu bemerken. »Und das hier sind Josie
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