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Die Totensammler

Die Totensammler

Titel: Die Totensammler
Autoren: PAUL CLEAVE
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einer Telefon-Talkshow zu der aktuellen Debatte, die seit Kurzem in den Nachrichten für Aufregung sorgt – ob Neuseeland die Todesstrafe wieder einführen soll oder nicht. Es fing alles mit einer gedankenlosen Bemerkung an, einem schlechten Scherz des Premierministers auf die Frage, was er unternehmen werde, um die steigende Verbrechensrate und die wachsende Zahl von Häftlingen zu reduzieren. Doch die Sache zog immer weitere Kreise, als andere Leute ihm zustimmten und fragten, warum die Regierung das nicht ernsthaft in Betracht ziehe. Wenn der Tod für die Opfer gut genug sei, warum sollte man dann den Mördern nicht denselben Gefallen tun?
    Cooper weiß nicht, wie er zu diesem Thema steht. Er weiß nicht, ob ein reiches Industrieland Dritte-Welt-Strafen verhängen sollte.
    Er stellt den Schaltknüppel auf Parken und steigt aus, um das Garagentor zu schließen. Vor zwei Monaten ist die verdammte Fernbedienung kaputtgegangen, und der Service-Mitarbeiter wartet immer noch auf die Ersatzteile. Cooper kann die Wärme des Bodens durch seine Schuhsohlen spüren. Er ist noch ein paar Schritte vom Garagentor entfernt, und schon kommt er ins Schwitzen. Es weht eine leichte Brise, und die Luft ist so heiß, als würde sie sich jeden Moment von selbst entzünden. Ihm steigt der Marihuanageruch von dem gottverdammten Surfer auf der anderen Straßenseite in die Nase, der sich morgens und abends und in der Zeit dazwischen bis unter die Schädeldecke zudröhnt. Mit jedem Schritt wird sein Hemd feuchter. Er ist mit seinen Gedanken ganz bei dem Daumen und der Hitze, als er plötzlich merkt, dass er seine Aktentasche aus dem Wagen mitgenommen hat.
    »Merkwürdig«, sagt er, und als er sich umdreht, wird es noch merkwürdiger. Neben seinem Auto steht ein Mann, den er noch nie zuvor gesehen hat.
    »Entschuldigen Sie«, sagt der Mann. Obwohl er Mitte dreißig ist, wirkt er auf Cooper wie ein Junge; vielleicht sind es die Haarsträhnen, die ihm in die Stirn fallen, oder die Kordhosen, die seit zwanzig Jahren aus der Mode sind. »Haben Sie kurz Zeit?«
    »Sicher«, sagt Cooper und wirft automatisch einen Blick auf seine Uhr. Im selben Moment wird sein Brustkorb von einem heftigen Krampf geschüttelt. Er reißt den Aktenkoffer vor seinen Körper, der Deckel springt auf, und der Inhalt prasselt auf den Boden. Einen Augenblick später bricht Cooper daneben zusammen, sämtliche Muskeln und Gliedmaßen sind wie gelähmt. Der Schmerz strahlt in Magen, Beine und Leiste aus, doch vor allem der Brustkorb tut weh. Der Mann lässt die Waffe sinken und hockt sich neben ihn, streicht sich das Haar aus den Augen.
    »Alles wird gut«, sagt der Junge. Zumindest glaubt Cooper das. Denn schon umweht ihn ein stechender Geruch, und etwas wird ihm aufs Gesicht gepresst. Er ist völlig wehrlos, und während ihm der Gedanke durch den Kopf schießt, dass er seine Sammlung nie wiedersehen wird, senkt sich Dunkelheit auf ihn herab.
    Kapitel 3
    Auf dem Schild steht Entlaufene Hundewelpes zu verkaufen – 5 Dollar pro Tier . Es lehnt an einer Ziegelsteinmauer, die nur noch von brüchigem Mörtel und Graffiti zusammengehalten wird. In ihrem Schatten liegt ein Typ in einem zerrissenen blauen Hemd, zerrissenen blauen Shorts und einer Mütze, die er sich aus einer Müslipackung gebastelt hat. Sie sitzt nicht richtig, aber das scheint ihm egal zu sein. Seinem Aussehen nach zu urteilen, hat er sich schon seit einer Weile nicht mehr rasiert und genauso lange nichts Anständiges mehr gegessen. Als ich an ihm vorbeigehe, lächelt er schief und bittet mich um etwas Kleingeld; dabei öffnet er eine Seite des Mundes, und es kommen spitze, verfaulte Zähne zum Vorschein. Alles, was ich habe, ist das Geld von Schroder. Ich gebe ihm einen Zehner, in der Hoffnung, dass er ihn in einen Rechtschreibkurs investiert statt in Bier. Sein Lächeln wird breiter, und in seinen Augenwinkeln, unter all dem Dreck, erscheinen ein paar saubere weiße Linien. Für ihn waren die letzten vier Monate wohl schlimmer als für mich.
    »Dafür kriegen Sie zwei entlaufene Welpen«, sagt er. Er ist gut im Kopfrechnen. »Suchen Sie sich welche aus.«
    Ich möchte keine Welpen, trotzdem schaue ich mich um, doch ich kann keine entdecken.
    »Sie sind entlaufen«, erinnert er mich und stopft das Geld in seine Tasche.
    Ich gehe Richtung Stadtzentrum, vorbei an Bürogebäuden mit großen Glastüren und Läden mit großen Glasfenstern; dazwischen stehen vereinzelt ein paar Banken und Cafés, und hin und wieder
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