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Die Totensammler

Die Totensammler

Titel: Die Totensammler
Autoren: PAUL CLEAVE
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das geringste Lebenszeichen. Nicht das geringste Geräusch. Schnell werfe ich einen Blick durch eines der Fenster, doch durch das Fliegengitter kann ich nur vage Umrisse erkennen. Ein geräumiges Wohnzimmer, in dem Pols termöbel mit Blumenmuster stehen, sowie ein Eichencouchtisch mit geschnitzten Beinen und ein klobiger Fernseher, der eine Tonne wiegen muss. Alles ist sehr ordentlich, als würden Grandpa und Grandma Hunter hier noch wohnen. Ich gehe weiter und spähe durch das nächste Fenster. Dahinter liegt ein großes Schlafzimmer mit Doppelbett und zurückgeschlagenen Decken. Ein weiteres Fenster ist vollkommen dunkel, und ich kann nichts erkennen. Es ist von innen mit irgendetwas bedeckt, das dicker zu sein scheint als Vorhangstoff.
    Ich laufe zur Rückseite des Hauses. Die Terrasse, über die man zur Hintertür gelangt, gibt ein Ächzen von sich, als ich sie betrete. Wie angewurzelt bleibe ich stehen. Ich warte ein paar Sekunden, doch offensichtlich will niemand wissen, woher das Geräusch kam. Ich schleiche mich so nah wie möglich an die Wand heran, und das Ächzen verstummt. Dann drehe ich den Türknauf der Hintertür, und sie öffnet sich. Ich trete in die Küche. Sie ist sauber und aufgeräumt. Etwas seitlich steht ein Esstisch. An der Wand hängt ein fast sechzig Jahre alter Kalender mit dem Gemälde eines Obstgartens. Es ist vergilbt, und die Ränder sind umgeknickt, einer der Tage ist mit einem verblassten Kreis umkringelt. Darin stehen in einer altmodischen, verblassten Handschrift die Worte Unser Hochzeitstag . Die tiefhängende Sonne scheint unter der Veranda hindurch in die Fenster und taucht die Küche in ein helles Licht. Ich schließe die Tür hinter mir, bleibe stehen und lausche. Jetzt gilt es: Ich und meine Brechstange gegen den Ex-Patienten einer Nervenklinik mit Pistole und Elektroschocker.
    Die offene Küche geht in ein Esszimmer mit zwei Türen über; eine führt ins Wohnzimmer, die andere in einen Flur. Das Wohnzimmer ist leer. Ich trete in den Flur. Am einen Ende befindet sich eine Treppe, am anderen macht er einen Knick nach rechts. Ich bleibe unten und laufe um die Ecke, vorbei an ein paar ziemlich alten Möbelstücken und Gemälden. Ich komme an eine Tür, die sperrangelweit offen steht. Sie geht nach außen auf und versperrt den Blick auf den Rest des Flurs. Die Außenseite der Tür zeigt in meine Richtung. Vorsichtig schleiche ich darauf zu und spähe daran vorbei. Weiter den Flur hinunter liegen zwei Leichen. Ich schließe die Tür ein wenig, um einen Blick ins Zimmer zu werfen. Es ist leer. Decke, Boden und Wände sind gepolstert. Der Boden ist voller Flecken – das hier ist das Schreizimmer der Zwillinge. Hier haben mindestens neun Menschen ihr Leben gelassen. Trotz der Hitze läuft mir ein kalter Schauer über den Rücken. Vielleicht haben sie ihre Opfer hier nur einen Tag lang, vielleicht aber auch mehrere Monate eingesperrt.
    Ich mache die Tür ganz zu und trete zu den Leichen. Eine Frau und ein Mann. Die Frau ist Ende siebzig. Bei dem Mann handelt es sich um die Person, die ich dabei überrascht habe, wie sie Cooper Rileys Haus in Brand gesteckt hat, und die mich entführen wollte. Er hat zwei Einschusslöcher in der Brust. Seine Augen sind weit aufgerissen, eins ist völlig zerstört, in seiner Mitte klafft ein Loch, es ist fast völlig zugeschwollen. Ich gehe in die Hocke und fühle der Frau den Puls – nichts. Mit Adrian halte ich mich nicht weiter auf. Wozu? Von der Pistole fehlt jede Spur. Wahrscheinlich hat Cooper Riley sie. Und wahrscheinlich ist Emma Green bei ihm. Da er nicht wissen kann, was die Polizei über ihn in Erfahrung gebracht hat, nimmt er an, dass er am ehesten von hier entkommen und in sein Leben zurückkehren kann, wenn er sich seine eigene Version der Ereignisse zurechtlegt. Deswegen muss er alle töten.
    Aber warum liegt Emma Green dann nicht hier auf dem Boden?
    Am anderen Ende des Flures ertönt plötzlich ein leiser Knall, dann ein gedämpfter Schrei. Ich bewege mich in die Richtung des Geräuschs. Erneut ertönt ein Knall, zu leise für einen Schuss. Am liebsten würde ich losrennen, doch ich setze behutsam einen Fuß vor den anderen, vorbei am Bad und an einem der Schlafzimmer, dann nähere ich mich einem weiteren mit einem großen Doppelbett, und auf dem liegt Emma Green. Sie ist nackt. Vor ihr steht Cooper Riley und schlägt mit seinem Gürtel auf einen Nachttisch ein, auf dem die Pistole und der Elektroschocker liegen. Bei jedem Knall zuckt
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