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Die Totenleserin1

Die Totenleserin1

Titel: Die Totenleserin1
Autoren: franklin
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eingemauert worden? Was soll ich nicht zulassen?«
    »Die Nonne. Veronica. Bitte, Mylord, bitte.
Sie haben sie bei lebendigem Leib eingemauert.«
    Henry blickte auf seine Stiefel, auf die sich Tränen ergossen. »Mir haben sie erzählt, sie hätten sie nach Norwegen geschickt. Kam mir gleich seltsam vor. Wusstet Ihr davon, Hubert?«
    »Nein, Mylord.«
    »Ihr müsst sie herausholen, das ist obszön, eine Untat. Ach, mein Gott, mein Gott, damit kann ich nicht leben. Sie ist verrückt. Nur die Verrücktheit ist böse.« In ihrer Verzweiflung trommelte Adelia mit den Händen auf den Boden.
    Hubert Walter nahm zuerst sein kleines Pult vom Hals und hob dann Adelia in eine sitzende Position auf die Bank, wobei er beruhigend auf sie einsprach wie auf ein Pferd. »Ganz ruhig, Mistress. Gut so. So ist’s brav, ganz ruhig.«
    Er reichte ihr ein tintenfleckiges Taschentuch. Adelia rang um Fassung, putzte sich kräftig die Nase. »Mylord … Mylord. Die haben ihre Zelle im Kloster zugemauert … mit ihr drin. Ich habe sie schreien gehört. Auch wenn sie Schreckliches getan hat, das dürft Ihr nicht … das dürft Ihr einfach nicht zulassen. Es ist ein Verbrechen gegen den Himmel.«
    »Kommt mir auch ein wenig hart vor, das muss ich zugeben«, sagte Henry. »So sind sie, die Kirchenleute; ich hätte sie bloß aufgehängt.«
    »Dann macht dem ein
Ende«,
schrie Adelia ihn an. »Wenn sie kein Wasser hat … ohne Wasser kann der menschliche Körper noch immer drei bis vier Tage überleben, dieses
Leiden.«
    Henry war interessiert. »Das wusste ich gar nicht. Habt Ihr das gewusst, Hubert?« Er nahm Adelia das Taschentuch aus der Faust und wischte ihr damit das Gesicht ab, jetzt ganz ernst. »Ihr begreift hoffentlich, dass ich da nichts machen kann.«
    »Nein, ganz und gar nicht. Der König ist der König.«
    »Und die Kirche ist die Kirche. Habt Ihr gestern Abend nicht zugehört? Dann hört mir jetzt zu, Mistress.« Als sie das Gesicht abwandte, schlug er ihr auf die Hand und hielt sie dann fest.
»Hört mir zu.«
Er hob ihre Hand mit seiner, so dass beide auf die Stadt deuteten. »Da unten treibt ein tollwütiger Lump sein Unwesen, den sie Roger aus Acton nennen. Vor ein paar Tagen hat der Schuft den Mob dazu aufgestachelt, diese Burganzugreifen, diese königliche Burg,
meine
Burg, wobei Ihr Freund und mein Freund Rowley Picot verwundet wurde. Und ich kann nichts tun. Warum? Weil der Schuft eine Tonsur auf dem Kopf trägt und ein Paternoster runterleiern kann, was ihn zu einem Geistlichen der Kirche macht und ihm das Vorrecht des Klerus sichert. Kann ich ihn bestrafen, Hubert?«
    »Ihr habt ihn in den Arsch getreten, Mylord.«
    »Ich hab ihn in den Arsch getreten, und selbst dafür nimmt mich die Kirche ins Gebet.«
    Adelias Arm hüpfte auf und ab, während der König damit seine Argumente unterstrich. »Nachdem diese verdammten Richter meinen Zorn als Anweisung verstanden hatten und einfach losgeritten waren, um Becket umzubringen, musste ich mich von sämtlichen Mitgliedern des Domkapitels in Canterbury geißeln lassen. Ich musste mich demütigen, musste meinen nackten Rücken ihren Peitschen darbieten, um den Papst davon abzuhalten, das Interdikt über ganz England zu verhängen. Jedem verdammten Mönch – und glaubt mir, diese Dreckskerle können richtig hinlangen.« Er seufzte und ließ Adelias Hand fallen. »Eines Tages wird dieses Land die päpstliche Herrschaft abschütteln, so gebe Gott. Aber jetzt noch nicht. Und nicht durch mich.«
    Adelia hörte ihm nicht mehr zu, begriff vielleicht die Bedeutung, nahm aber die Worte nicht mehr auf. Jetzt erhob sie sich und ging den Gartenpfad hinunter zu der Stelle, wo Simon aus Neapel lag.
    Hubert Walter, entsetzt über eine derartige Majestätsbeleidigung, wollte ihr nach, wurde aber zurückgehalten. Er sagte: »Ihr gebt Euch große Mühe mit dieser unverschämten und widerspenstigen Frau, Mylord.«
    »Ich verstehe es, die Nützlichen zu nutzen, Hubert. Wunder wie sie fallen mir nicht alle Tage in den Schoß.«
    Der Mai hielt doch noch Einzug, und die Sonne war hervorgekommen, um einen regenfrischen Garten zu be leben. Lady Baldwins Gänsefingerkraut hatte Wurzeln ge schlagen, und zwischen den Schlüsselblumen summten eifrige Bienen.
    Ein Rotkehlchen auf dem Grab hüpfte davon, als sie näher kam, aber nicht weit. Adelia bückte sich und wischte den Kot des Vogels mit Hubert Walters Taschentuch ab.
    Wir sind unter Barbaren, Simon.
    Das Holzbrett war durch eine schöne Marmorplatte
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