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Die Totenleserin1

Die Totenleserin1

Titel: Die Totenleserin1
Autoren: franklin
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Walburga, sie drängten zur Küche. Priorin Joan wäre zurückgeblieben, doch König Henry packte sie am Ellbogen und zog sie mit.
    Als Rowley an ihr vorbeikam, sagte Adelia: »Ulf darf das nicht sehen.«
    »Ich habe ihn mit Gyltha nach Hause geschickt.« Dann war auch er weg, und Adelia stand in einem leeren Refektorium.
    War das geplant? Es ging hier um mehr als nur darum, Veronicas Schuld zu beweisen: Henry hatte es auf die Kirche abgesehen, die ihn wegen Becket verdammt hatte.
    Auch das war schrecklich. Ein durchtriebener König hatte eine Falle gestellt, und zwar nicht nur für die Kreatur, die nun vielleicht hineintappen würde, je nachdem, wie durchtrieben sie selbst war, sondern um seinem größeren Feind die eigene Schwäche vor Augen zu führen. Und ganz gleich, wie schändlich die Kreatur war, die darin gefangen werden sollte, eine Falle war und blieb eine Falle.
    Bei dem ständigen Kommen und Gehen war die Tür zum Kloster offen geblieben. Der Morgen dämmerte, und die Mönche sangen, wie schon die ganze Zeit. Während Adelia dem Klang lauschte, der Ordnung und Anmut wiederherstellte, spürte sie, wie die Nachtluft auf ihren Wangen Tränen kühlte, die sie gar nicht bemerkt hatte.
    In der Küche ertönte die Stimme des Königs. »Legt es auf den Hackklotz. Wohlan, Schwester. Zeigt uns, was er getan hat.« Sie schoben Veronica das Messer in die Hand …
    Benutze es nicht, das ist nicht nötig … erzähl es ihnen einfach.
    Die Stimme der Nonne klang klar durch die offene Klappe. »So finde ich Erlösung?«
    »Die Wahrheit ist Erlösung.« Henry, unerbittlich. »Zeigt es uns.«
    Stille.
    Wieder die Stimme der Nonne. »Er mochte es nicht, wenn sie die Augen schlossen, wisst Ihr.« Das erste Quieken des Ferkels. »Und dann …«
    Adelia hielt sich die Ohren zu, aber ihre Hände konnten ein weiteres Quieken nicht aussperren, dann noch eins, diesmal schriller, noch eins … und die Frauenstimme, die sich darüber erhob. »So, und dann so. Und dann …«
    Sie ist verrückt. Falls sie zuvor Verschlagenheit zeigte, dann war es die Verschlagenheit einer Irren. Und selbst die hat sie jetzt verlassen. Großer Gott, was geschieht in diesem Kopf?
    Lachen? Nein, es war ein Kichern, ein irrer Laut, der das Leben aus dem Leben schlürfte, das genommen wurde. Veronicas menschliche Stimme wurde unmenschlich, erhob sich über die Todesschreie des Ferkels, bis sie ein tierisches Brüllen war, ein Geräusch, das zu großen, grasfleckigen Zähnen und langen Ohren gehörte. Es fuhr hinaus in die Alltäglichkeit des Morgens, um sie zu zertrümmern.
    Ein Eselsschrei.

    Die Soldaten schleppten sie zurück ins Refektorium und stießen sie zu Boden, wo sich zwischen den Binsen eine Lache aus Ferkelblut bildete, mit dem ihr Habit durchtränkt war. Die Richter machten einen weiten Bogen um sie herum, und der Bischof von Norwich strich geistesabwesend über seine bespritzte Robe. Mansur und Rowley blickten mit starrer Miene. Rabbi Gotsce war bis zu den Lippen weiß. Priorin Joan sank auf die Bank und vergrub das Gesicht in den Armen. Hugh lehnte sich gegen den Türpfosten und starrte ins Leere.
    Adelia eilte zu Schwester Walburga, die getaumelt und hingestürztwar. Sie kniete sich neben sie und legte eine Hand fest auf ihren Mund. »Ganz langsam. Langsam atmen. Kurze Atemzüge, flach atmen.«
    Sie hörte Henry sagen: »Nun, Mylords? Mir scheint, sie hat dem Teufel tatkräftig zur Seite gestanden.«
    Abgesehen von Walburgas panischem Hecheln war kein Laut zu hören.
    Nach einer Weile sprach einer der Bischöfe: »Sie wird selbstverständlich vor ein Kirchengericht gestellt.«
    »Sie wird also das Vorrecht des Klerus genießen, wollt Ihr sagen«, entgegnete der König.
    »Sie gehört noch immer zu uns, Mylord.«
    »Und was werdet Ihr mit ihr machen? Die Kirche kann niemanden aufhängen, sie kann kein Blut vergießen. Euer Gericht kann sie lediglich exkommunizieren und in die nichtkirchliche Welt hinausjagen. Was passiert, wenn das nächste Mal ein Mörder nach ihr pfeift?«
    »Plantagenet, seht Euch vor.« Der Archidiakon meldete sich zu Wort. »Wollt Ihr Euch wieder mit dem heiligen Thomas anlegen? Soll er erneut durch die Hände Eurer Ritter sterben? Wollt Ihr seine eigenen Worte anzweifeln?
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Glocke, Buch und Kerze üben den größten Zwang überhaupt aus. Diese elende Frau wird ihre Seele
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