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Die Toten schweigen nicht: Thriller (German Edition)

Die Toten schweigen nicht: Thriller (German Edition)

Titel: Die Toten schweigen nicht: Thriller (German Edition)
Autoren: Paul Cleave
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bin kurz davor zu würgen. Während Tracey den Deckel ganz aufstemmt, stehe ich neben ihr und starre ins Innere.
    Damit haben wir nun wirklich nicht gerechnet.

Kapitel 5
     
    Christchurch geht den Bach runter. Was vor fünf Jahren nicht den geringsten Sinn ergab, leuchtet inzwischen ein; nicht weil sich unsere Sicht auf die Dinge verändert hat, sondern weil es eine Tatsache ist. Jeder hat eine bestimmte Vorstellung davon, wie diese Stadt sein sollte, doch sie entfernt sich immer weiter davon. Allmählich macht sich Panik breit, und niemand kann etwas dagegen tun. Egal welche Zeitung man zur Hand nimmt, alle Schlagzeilen drehen sich um den Schlächter von Christchurch, einen Serienmörder, der die Stadt in den letzten Jahren in Angst und Schrecken versetzt hat. Die Polizei hasst ihn, die Medien lieben ihn. Er ist ein florierendes Ein-Mann-Unternehmen, das die Mittel der Polizei bei weitem übersteigt – und ihr fällt offensichtlich nichts Besseres ein, als mit Hilfe von Fernsehspots neue Kräfte anzuwerben. Doch die Rechnung geht nicht auf. Wie auch? Die Polizei kann mit dem Schlächter nicht Schritt halten, ganz zu schweigen von der steigenden Kriminalität überall im Land.
    Es gibt dafür nur wenige Lösungen, aber immerhin gibt es welche, und an dieser Stelle komme ich ins Spiel. Einige der kleineren Aufträge werden jetzt nach außen vergeben. Kleinkram, bei dem keine Polizeipräsenz erforderlich ist. Anfangs haben sich die Leute zwar darüber beschwert. Aber das hat sich inzwischen geändert.
    Als also gestern eine der Anwaltskanzleien im Stockwerk über mir einen Auftrag für mich hatte, sah das nach schnell verdientem Geld aus. Seit Batmans Zeiten hat sich in der Verbrechensbekämpfung eine Menge geändert: Heutzutage dreht sich alles nur noch um die Anwälte, manchmal auch ums Recht. Und in diesem Fall wollte niemand einen Cop in der Kälte herumstehen lassen, während ein Sarg ausgebuddelt wird. Cops werden dafür bezahlt, etwas Sinnvolles zu tun. Die Polizei war irgendwo unterwegs, um die Flut der Gewalt einzudämmen, sie zurückzudrängen und für das Gute zu kämpfen. Also ging der Auftrag, zum Friedhof zu fahren, an mich – einen Profi, der dafür sorgt, dass die Beweiskette nicht zerstört wird.
    Allerdings werde ich nicht dafür bezahlt, meine Zeit bei einem toten Mädchen im Leichenschauhaus zu verbringen, das in einem fremden Sarg liegt.
    Und diese Geschichte wird die Mittel der Polizei noch weiter beanspruchen.
    Es fällt mir schwer, meine Gedanken zu ordnen. Jede Menge Ideen und Gefühle schießen mir durch den Kopf. Die Frau, wer auch immer sie ist, tut mir leid, und mir fällt kein guter Grund ein, warum sie in einem Sarg liegen sollte. Ich hoffe inständig, dass es sich um einen Streich oder Scherz handelt. Aber gleichzeitig weiß ich, dass diese Sache weit über jedes Täuschungsmanöver hinausgeht. Das ist die Wirklichkeit. Ich sollte nicht hier sein und diese Frau betrachten, sie sollte nicht tot sein, nicht in einem fremden Sarg liegen – aber sie tut es.
    Tracey beugt sich über sie. »Das ist nicht Henry Martins«, sagt sie völlig humorlos, ganz sachlich; anscheinend ist sie keineswegs so fassungslos wie ich, sondern hat ihrem kühlen Verstand, den sie für diesen Job braucht, jetzt das Kommando überlassen. Tracey zeigt keinerlei Gefühle.
    »Sie ist bereits verwest, wenn auch nicht stark. Der Grad der Verwesung hängt von der Temperatur und der Art des Bodens ab, und davon, wie tief der Sarg in der Erde lag und wie lange sie der Luft ausgesetzt war, bevor sie hineingelegt wurde. In diesem Stadium lässt sich nicht sagen, wie alt sie ist.«
    Ich höre ihr kaum zu. Mein Herz rast wie wild, während ich den Körper betrachte. An einigen Stellen hängen verschrumpelte und vertrocknete Fleischklumpen, an anderen gar nichts mehr. Sie ist nichts weiter als eine leere Hülle; würde ich mit dem Finger hineinpieken, würde sie zu Staub zerfallen. Die wenigen Hautfetzen sind fast durchsichtig und können die dunkelgrauen Knochen, die größtenteils freiliegen, nicht mehr verbergen. Das Gesicht mitsamt den Augen fehlt komplett; am Schädel hängen bloß noch vertrocknete Haut- und Gewebereste. Ihre unbedeckten Zähne wirken zu groß. Ihr Haar ist fächerförmig unter ihrem Körper ausgebreitet; es ist lang und dunkelbraun, und ich vermute, dass es mal sehr gepflegt war und dass sie gerne mit ihren Fingern durchgefahren ist, dass es nach Shampoo und Haarspülung duftete und dass es das
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