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Die Toten schweigen nicht: Thriller (German Edition)

Die Toten schweigen nicht: Thriller (German Edition)

Titel: Die Toten schweigen nicht: Thriller (German Edition)
Autoren: Paul Cleave
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voller Wasser ausgraben.
    Der Fahrer legt eine Pause ein, um sich mit einer Hand über die Stirn zu wischen, als ob ihn das Hantieren mit den Hebeln bei diesen kühlen Temperaturen ins Schwitzen bringen würde. Dabei hinterlässt er mit dem Handschuh einen Ölstreifen auf seiner Haut. Er schaut hinaus auf die Eichen und das saftige Gras, auf die bewegte Oberfläche des Sees, vielleicht weil er eines Tages ebenfalls hier begraben werden möchte. So geht es jedem beim Anblick dieses Ortes. Eine schöne letzte Ruhestätte. Hübsch und malerisch. Und friedlich . Als ob das einen Unterschied machen würde. Als ob man es merken würde, wenn jemand vorbeikommt und alle Bäume fällt. Trotzdem, wenn man schon irgendwo begraben werden muss, sticht dieser Friedhof eine Menge anderer aus, die ich gesehen habe.
    Ein zweiter Pritschenwagen bahnt sich seinen Weg zwischen den Grabsteinen hindurch. Er wurde ein wenig aufgemotzt, mit roten Rallyestreifen und mit Stoffwürfeln im Fenster, allerdings ist er seit Monaten nicht gewaschen worden, und die Seiten der Türen sowie die Stoßstange sind voller Rostflecken. Er hält neben der Grabstätte. Hinter dem Lenkrad klettert ein glatzköpfiger Typ in grauer Arbeitskleidung hervor, stopft die Hände in die Hosentaschen und verfolgt das Treiben. Auf der Beifahrerseite steigt ein weiterer Mann aus; er ist jünger als der Fahrer und fängt sofort an, mit seinem Handy herumzuspielen. Viel mehr gibt es auch nicht zu tun, während der Erdhaufen immer größer wird. Ich beobachte, wie der Regen auf den See prasselt, und trete ans Ufer. Alles ist besser, als dem Bagger beim Graben zuzusehen. Selbst am See sind die Vibrationen noch zu spüren. Kleine Erdklumpen rollen die Böschung hinunter und platschen ins Wasser. An einigen Stellen rund um den See stehen Flachspflanzen und Farne sowie ein paar Pappeln. Am Ufer ragt langes Schilfrohr empor. Abgeknickte Äste und Blätter, die sich voll Wasser gesaugt haben, treiben gegen die Böschung.
    Ich höre, wie die Schaufel über den Sargdeckel kratzt, und drehe mich wieder zum Bagger um. Es klingt, als würde jemand seine Fingernägel über eine Tafel ziehen; das Geräusch lässt mich frösteln, mehr als die Kälte. Der Friedhofswärter zittert wie Espenlaub. Er wirkt durchgefroren und stinksauer. Bis zum Eintreffen des Baggers hielt ich es sogar für möglich, dass er sich an den Grabstein kettet, um die Umsiedelung eines seiner Mieter zu verhindern. Er hat uns endlos über die moralischen Konsequenzen unseres Handelns belehrt und sich aufgeführt, als würden wir den Sarg ausgraben, um ihn persönlich hineinzulegen.
    Der Baggerführer und die beiden Kerle aus dem Pritschenwagen ziehen sich Masken über Mund und Nase und steigen hinab ins Grab. Der übergewichtige Typ bewegt sich mit der Leichtigkeit von jemandem, der für diesen Moment immer wieder trainiert hat. Die drei verschwinden aus meinem Blickfeld, als hätten sie einen verborgenen Zugang zu einer anderen Welt gefunden. Eine Weile verharren sie vornübergebeugt dort unten; offensichtlich überlegen sie, wie sie die Kette am Sarg und am Bagger befestigen sollen. Als die Kette schließlich befestigt ist, klettert der Fahrer zurück in den Bagger. Erneut wischt er sich mit der Hand über die Stirn. Die Toten zu heben ist eine schweißtreibende Arbeit.
    Als er den Sarg nach oben bewegt, kommt der Motor ins Stottern. Der Pritschenwagen wird angelassen und fährt rückwärts heran. Durch die Vibration der beiden Motoren kullert erneut Erde vom Ufer ins Wasser.
    Etwa fünf Meter davon entfernt steigen plötzlich Blasen an die Oberfläche, dann taucht etwas Schlamm auf. Aber da ist noch etwas anderes, weiter unten. Etwas Dunkles, es sieht aus wie ein Ölfleck.
    Mit einem dumpfen Schlag senkt sich der Sarg auf die Ladefläche des Pritschenwagens. Die Federung wird durch das Gewicht nach unten gedrückt. Ich kann hören, wie die drei Männer aufgeregt miteinander diskutieren, sie müssen fast schreien, um sich bei dem Motorenlärm verständlich zu machen.
    Der Regen wird jetzt stärker. Der dunkle Fleck, der unter dem Wasser aufsteigt, durchbricht die Oberfläche. Er ähnelt einem riesigen schwarzen Ballon. Ich habe so einen riesigen schwarzen Ballon schon mal gesehen. Stets hofft man, dass es etwas anderes ist, doch jedes Mal bestätigen sich die schlimmsten Befürchtungen.
    »Hey, Kollege, Sie sollten sich das hier vielleicht mal anschauen«, ruft einer der Männer.
    Doch ich bin zu beschäftigt, um
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