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Die Toten schweigen nicht: Thriller (German Edition)

Die Toten schweigen nicht: Thriller (German Edition)

Titel: Die Toten schweigen nicht: Thriller (German Edition)
Autoren: Paul Cleave
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mich jetzt ablenken zu lassen.
    »Hey, hören Sie überhaupt zu?« Die Stimme kommt näher. »Wir haben hier was, worauf Sie mal einen Blick werfen sollten.«
    Ich blicke zum Baggerführer hoch, während er auf mich zukommt. Der Friedhofswärter folgt ihm. Wortlos starren beide Männer ins Wasser.
    Die schwarze Blase ist überhaupt keine Blase, sondern die Rückseite einer Jacke. Sie treibt auf dem Wasser, zusammen mit einem fußballgroßen Gegenstand. Einem behaarten Gegenstand. Bevor ich antworten kann, steigt ein weiteres Objekt blubbernd an die Oberfläche, und dann noch eins, während der See nach und nach die Spuren der Vergangenheit preisgibt.

Kapitel 2
     
    Über den Fall wurde nie in den Nachrichten berichtet, weil es nie einen Fall gab. Es handelte sich um eines jener Ereignisse, wie sie jeden Tag passieren, ganz gleich, wie sehr man sich auch bemüht, sie zu verhindern. Es stand irgendwo im hinteren Teil der Tageszeitungen bei den Todesanzeigen, zwischen all den anderen Durchschnittsmenschen, den geliebten Eltern und Großeltern, die schmerzlich vermisst werden. Es war eine dieser typischen Mann-wird-alt-und-stirbt-Geschichten. Hier erfahren Sie alles darüber.
    Die Sache ist jetzt zwei Jahre her. Manche Leute lesen jeden Morgen nach dem Aufstehen zuerst die Todesanzeigen, und während sie sich über Rührei und Orangensaft hermachen, überprüfen sie, ob sie auf einen Namen aus ihrer Vergangenheit stoßen. Eine verrückte Art, die Zeit totzuschlagen, wie in einer Art makabrer Lotterie, bei der man nachsieht, wessen Nummer gezogen wurde. Ich weiß nicht, ob die Leute erleichtert sind oder nicht, wenn sie beim Durchblättern schließlich auf einen bekannten Namen stoßen. Sie tun es, weil sie jemanden suchen, mit dem sie etwas verbindet, um die eigene Sterblichkeit zu spüren.
    Henry Martins. Nach zwei Jahren habe ich diese Geschichte heute Morgen noch einmal aus der Zeitungsdatenbank der Bücherei herausgekramt und nachgelesen, was die Leute anlässlich seines Todes über ihn zu sagen hatten. Es war nicht viel. Andererseits lässt sich das Leben eines Menschen in fünf Zeilen Sechs-Punkt-Schrift nur schwer zusammenfassen. Schwer zu beurteilen, wie sehr man ihn vermisst. Zu Henry gab es elf Einträge in drei Tagen, von Angehörigen und Freunden. Aber das hat mir auch nicht weitergeholfen, da keiner von ihnen in seine Bekundungen tiefer Trauer ein »schön, dass du tot bist« eingestreut hat. Eine Todesanzeige las sich wie die andere: langweilig, emotionslos. Zumindest kommt das so rüber, wenn man den Verstorbenen nicht kennt.
    Eine Woche nach der Beerdigung kam Henry Martins’ Tochter zu mir aufs Revier. Nachdem sie in meinem Büro Platz genommen hatte, erzählte sie mir, dass ihr Vater ermordet worden sei. Ich erklärte ihr, dass sie sich irren müsse. Sonst wäre das dem Gerichtsmediziner aufgefallen. Das ist nun mal sein Job. Doch da sie von ihrem Verdacht offensichtlich nicht so leicht abzubringen war, versprach ich ihr, mir die Sache noch einmal anzusehen, und stellte ein paar Nachforschungen an. Henry Martins war Filialleiter einer Bank und hinterließ außer einer großen Familie auch einen großen Kundenstamm. Allerdings nutzte er seinen Beruf nicht dazu, sich die Taschen mit dem Geld anderer Leute vollzustopfen. In der wenigen Zeit, die ich erübrigen konnte, um der »Vermutung« seiner Tochter nachzugehen, nahm ich sein Leben, so gut es ging, unter die Lupe, ohne dabei jedoch auf etwas Ungewöhnliches zu stoßen.
    Und nun, zwei Jahre später, baumelt Henry Martins’ Sarg an einer Kette hinter mir, während der Wind immer stärker wird. Jetzt, wo auch ihr zweiter Ehemann gestorben ist und seine blauen Fingernägel darauf hindeuten, dass er vergiftet wurde, geht Henry Martins’ Frau jedem mit einer Dienstmarke aus dem Weg. Und da ich nicht mehr in derselben Position bin wie vor zwei Jahren, hat auch Henrys Tochter nicht mit mir gesprochen. Unwillkürlich schweife ich mit meinen Gedanken ab und stelle mir vor, wie die Dinge hätten anders laufen können. Ich hätte der Sache gründlicher nachgehen und einen Mord aufklären können, wenn es denn einer war. Und so den Tod eines weiteren Mannes verhindern können. Bleibt allerdings immer noch die Frage, ob Mrs. Martins einfach nur Pech hatte oder ein schlechtes Händchen, was Männer betrifft.
    Der Regen wird stärker, und die Wasseroberfläche fängt an, sich zu kräuseln. Der Friedhofswärter tritt einen Schritt zurück, während er weiter den
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