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Die Toten, die niemand vermisst: Ein Fall für Sebastian Bergman (German Edition)

Die Toten, die niemand vermisst: Ein Fall für Sebastian Bergman (German Edition)

Titel: Die Toten, die niemand vermisst: Ein Fall für Sebastian Bergman (German Edition)
Autoren: Michael Hjorth , Hans Rosenfeldt
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stehen, atmete durch, sammelte sich einige Sekunden lang und schlich dann um den Hausgiebel.
    Der Mann wirkte mehr als überrascht, sie zu sehen. Er öffnete den Mund, um etwas zu sagen, vermutlich wollte er fragen, wer sie war, vielleicht auch, was sie hier zu suchen hatte, mitten in der Gebirgslandschaft Jämtlands, und ob er ihr weiterhelfen könnte. Es spielte keine Rolle.
    Sie verstand kein Schwedisch, und er würde nie eine Antwort bekommen.
    Die schallgedämpfte Pistole hustete leise, und alle Bewegungen des Mannes froren unmittelbar ein, als hätte jemand in einem Film auf die Pause-Taste gedrückt. Dann glitt die Axt aus seiner Hand, die Knie sackten nach links, der Körper fiel nach rechts. Ein dumpfer Rums, als seine achtzig Kilo Gewicht auf dem Boden aufschlugen. Er war bereits tot, sein Herz von der Kugel punktiert, als er aufkam. Ganz so, als hätte ihn eine unsichtbare Hand brutal in die stabile Seitenlage geworfen.
    Sie steckte die Beretta wieder in die Tasche und überlegte, ob sie sich um das Blut auf dem Boden kümmern oder diese Aufgabe der Natur überlassen sollte. Selbst wenn man den Toten vermisste – und das würde, wie sie bereits wusste, der Fall sein – und jemand zu der kleinen Hütte kommen und ihn suchen würde, würde man seine Leiche nie finden. Das Blut verriet, dass ihm etwas zugestoßen war, mehr aber auch nicht. Und niemand würde je einen Beweis entdecken, auch wenn er das Schlimmste befürchtete. Der Mann würde für immer verschwunden sein.
    «Papa?»
    Die Frau zog erneut ihre Waffe und drehte sich blitzschnell um. Ein einziger Gedanke schoss ihr durch den Kopf.
    Kinder. Es sollte hier keine Kinder geben.

[zur Inhaltsübersicht]
    E r zitterte leicht an den Schultern, und sein Kopf wackelte ein wenig. Merkwürdig. Diese Bewegung konnte er nicht mit seinem Traum in Verbindung bringen. Träumte er denn überhaupt? Wenn, dann jedenfalls nicht das Übliche. Nicht von einer kleinen Hand in der seinen. Es gab kein brausendes Donnern, das sich unerbittlich näherte. Kein wirbelndes Chaos. Doch, er musste träumen, denn jemand sagte seinen Namen.
    Sebastian.
    Aber wenn er nun tatsächlich träumte, er war sich da ganz und gar nicht sicher, so war er auf jeden Fall allein in diesem Traum. Allein in der Finsternis.
    Er schlug die Augen auf und sah direkt in ein anderes Augenpaar. Blau. Darüber schwarze Haare, kurzgeschnitten, zerzaust. Darunter eine gerade, kleine Nase und ein lachender Mund.
    «Guten Morgen. Entschuldige bitte, aber ich wollte dich gern wecken, bevor ich gehe.»
    Mühsam stemmte Sebastian sich auf die Ellbogen. Die Frau, die ihn geweckt hatte, schien mit seiner Anstrengung zufrieden, ging wieder zum Fußende des Bettes, blieb vor einem Ganzkörperspiegel stehen und zog ein Paar Ohrringe an, die sie zuvor aus einem kleinen Regal an der Wand genommen hatte.
    Kurz darauf war Sebastians Schlaftrunkenheit wie weggeblasen, und die Erinnerungen an den gestrigen Tag tauchten wieder auf.
    Gunilla, siebenundvierzig Jahre, Krankenschwester. Sie waren sich einige Male im Karolinska-Krankenhaus begegnet, jener Uniklinik, in der Sebastian mit seiner schweren Verletzung behandelt worden war. Gestern hatte er seinen letzten Termin zur Nachsorge gehabt, und im Anschluss hatte sie ihn begleitet. Erst waren sie in der Stadt ausgegangen, dann zu ihr. Erstaunlich guter Sex.
    «Du bist schon aufgestanden.»
    Er begriff, dass seine Feststellung nicht gerade genial war. Dies war eine Situation, in der er sich unwohl fühlte: nackt im Bett zu liegen, während die Frau, mit der er die Nacht verbracht hatte, bereits angezogen und bereit für den Tag vor ihm stand. In der Regel war er derjenige, der zuerst aufstand. Meist und am liebsten, ohne seine jeweiligen Partnerinnen dabei zu wecken. So wollte er es. Je weniger er reden musste, ehe er ging, desto besser.
    «Ich muss zur Arbeit», informierte sie ihn und warf ihm im Spiegel einen schnellen Blick zu.
    «Was denn? Jetzt?»
    «Ja. Jetzt. Eigentlich bin ich sogar etwas spät dran.»
    Sebastian streckte sich nach rechts und angelte seine Armbanduhr vom Nachttisch. Kurz vor halb neun. Gunilla war mit dem Ohrschmuck fertig und schloss eine schmale Silberkette im Nacken. Sebastian sah sie ungläubig an. Diese Frau war siebenundvierzig Jahre alt und wohnte mitten in Stockholm. Wie konnte ein Mensch trotzdem so naiv und gutgläubig sein?
    «Bist du nicht ganz bei Trost?», fragte er und setzte sich auf. «Du hast mich gestern erst kennengelernt. Ich
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