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Die Tote von Schoenbrunn

Die Tote von Schoenbrunn

Titel: Die Tote von Schoenbrunn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edith Kneifl
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wohnte bei seinem Vater in der Schlossgasse in einer Zimmer-Küche-Wohnung über dessen Wirtschaft „Zum schwarzen Elephanten“.
    In dem engen, dunklen Stiegenhaus stank es nach Abfällen, ranzigem Fett und Urin. Als Gustav die schmale Treppe hinauf in den ersten Stock stieg, kam ihm plötzlich eine dicke Ratte entgegen. Das Tier fauchte ihn an. Erschrocken wich er zurück, besann sich seiner Männlichkeit und trat nach ihr. Sie war schneller, entkam seiner Stiefelspitze und lief die Stufen hinunter in den Keller.
    Nicht zum ersten Mal fragte sich Gustav, warum sein Freund nach wie vor in dieser miesen Absteige hauste, noch dazu, wo er mit seinem ständig besoffenen Vater auf Kriegsfuß stand.
    Rudi behauptete, dass er sich von seinem Gehalt keine eigene Bleibe leisten könne und dass er sowieso nur zum Schlafen heimkommen würde. Sein Bett stand in der schlauchförmigen Küche, die die beiden Männer nicht benutzten. Sie aßen unten in der Wirtschaft. Vater Kasper verbrachte auch die meisten Nächte in seiner Wirtschaft, auf der Bank vor dem großen Kamin. Er selbst war sein bester Gast und nach der Sperrstunde meist nicht mehr fähig, die Stufen zu seiner Wohnung im ersten Stock hinaufzusteigen. Rudis Mutter war gestorben, als er in die Volksschule kam.
    Die Wohnung war äußerst dürftig eingerichtet. Ein Kasten, ein Tisch und zwei Stühle. Rudi hatte in der Küche, neben seinem Bett, eine Kommode und einen kleinen Kohleofen stehen. Das Fenster war vergittert und ging auf den Gang hinaus. Gustav war sich schon als Jugendlicher immer wie in einem Gefängnis vorgekommen, wenn er seinen Schulfreund besucht hatte.
    Als auf sein Klopfen niemand reagierte, ging er hinunter ins Gasthaus.
    Der alte Kasper stürzte sich sofort auf ihn. „Schön, dass S’ wieder einmal bei uns vorbeischauen, gnädiger Herr“, sagte er so laut, dass es jeder im Lokal hören konnte. Er führte Gustav zum besten Tisch.
    Seit der Alte hinter dem Wirtshaus eine Kegelbahn angelegt hatte, entwickelte sich sein Lokal zu einer echten Goldgrube, hatte Rudi unlängst behauptet. Rudi hätte das Lokal lieber „Silberwirt“ genannt, aber sein Vater hatte auf dem Namen „Zum schwarzen Elephanten“ beharrt, weil die Wiener das Exotische so sehr liebten.
    Der alte Kasper überredete Gustav zu einem Wiener Schnitzel mit Erdäpfelsalat. Aus langjähriger Erfahrung wusste Gustav, dass die Schnitzel und vor allem der Erdäpfelsalat im „schwarzen Elephanten“ hervorragend schmeckten. Er nahm also die Einladung dankend an.
    Der Wirt stellte eine Karaffe mit Weißwein auf den Tisch und schenkte Gustav und sich selbst ständig nach.
    Während Gustav das wunderbar dünne Kalbsschnitzel aß, blieb der Alte bei ihm sitzen und erzählte ihm, dass es einen Mord gegeben habe und Rudi nach Schönbrunn abberufen worden sei.
    „Wieso nach Schönbrunn? Doch eher in die Hofburg?“
    „Nein, die Leich wurde im Schloss gefunden. Der Rudi war ziemlich aus dem Häuschen. Schließlich gibt’s ja nicht so oft eine Leich in Schönbrunn …“
    Er ist wieder einmal besoffen, bringt alles durcheinander, dachte Gustav. Bestimmt ging es um die Schüsse gestern nach dem Begräbnis in der Inneren Stadt.
    Nach dem Essen wankte er auf dem holprigen Kopfsteinpflaster die Pilgramstraße hinunter. Als er beim Wienfluss einen Fiaker erblickte, stieg er ein und ließ sich mit vollem Bauch und leicht beschwipst nach Hause bringen.

8
    Vera und Dorothea waren ausgegangen. Josefa wusste nicht, wohin sich die Damen begeben hatten. Da seine Tante höchst selten ausging, vermutete Gustav, dass heute wieder einmal ein Treffen der Österreichischen Frauenbewegung stattfand.
    Er legte sich angezogen auf die Chaiselongue in seinem Zimmer und schlief sogleich ein.
    Als ihn Josefa zum Abendessen weckte, erschien er in seinem zerknitterten Anzug bei Tisch.
    Vera und Dorothea waren noch nicht zurück. Er verschwendete keinen weiteren Gedanken an sie, genoss allein den Kaiserschmarrn, den niemand so gut hinbekam wie Josefa.
    „Weißt du eigentlich, woher dieses Gericht seinen Namen hat?“, fragte Gustav sein ehemaliges Kindermädchen.
    Josefa zuckte mit den Achseln.
    „Komm, setz dich her, ich erzähl dir die Geschichte.“
    Josefa, die die Mahlzeiten nie mit den Herrschaften gemeinsam einnahm, sondern allein in ihrer Kammer, setzte sich mit einer Schale Milchkaffee zu ihm an den Tisch.
    „Als der Kaiser einmal mit einer Jagdgesellschaft in den Wäldern bei Bad Ischl unterwegs war, ist ein

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