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Die Tote von Schoenbrunn

Die Tote von Schoenbrunn

Titel: Die Tote von Schoenbrunn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edith Kneifl
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Gewitter aufgekommen. Die hochherrschaftliche Partie hat sich in eine Almhütte geflüchtet. Sie waren hungrig und haben die Sennerin gebeten, ihnen eine kleine Mahlzeit zuzubereiten. Die Sennerin hat fast nichts gehabt, angeblich nur ein paar Eier. Sie hat vorgeschlagen, den hohen Herrschaften ein Eieromelett zu machen. Vor lauter Aufregung, weil sie den Kaiser unter den Gästen erkannt hat, ist ihr das Omelett misslungen. In ihrer Verzweiflung hat sie es zerschnipselt, einen Schmarrn daraus gemacht und ihn kräftig gezuckert. Dem Kaiser hat dieses zerstückelte Omelett angeblich so gut geschmeckt, dass es ab diesem Zeitpunkt als Kaiserschmarrn in allen gehobenen Lokalen des großen Reiches auf der Speisekarte stand.“
    Josefa gefiel die Geschichte. Im Gegensatz zu Gustav und seiner Tante verehrte sie Kaiser Franz Joseph seit ihrer Kindheit.
    Nach dem Essen zog sich Gustav wieder in sein Zimmer zurück. Er hatte viel Schlaf nachzuholen. Doch er konnte nicht einschlafen. Der alte Kasper hatte von Mord gesprochen. Seit Gustav seine private Detektei eröffnet hatte, fühlte er sich für jeden Mord in der Reichshaupt- und Residenzstadt, der ihm zu Ohren kam, zuständig. Er war wütend auf seinen Freund Rudi, der ihn über dieses neue Verbrechen nicht informiert hatte.
    Als er Vera und Dorothea heimkommen hörte, rührte er sich nicht, sondern wartete, bis sie zu Bett gegangen waren. Auf leisen Sohlen verließ er die Wohnung. Der morsche Holzboden in der Diele knarrte bei jedem Schritt. Weder Dorothea noch Vera streckte ihre Nase zur Tür heraus.
    Er spazierte hinauf zum Spittelberg, da er sich ziemlich sicher war, seinen Freund Rudi in einer der Bier- und Weinschenken dort anzutreffen. Rudi war zwar ein ehrenwerter Mann, aber beileibe kein Unschuldslamm. Sein größtes Laster waren die Frauen. Rudi hatte ihm einmal anvertraut, dass er es kaum eine Nacht ohne ein Weib aushalten würde. Da er unverheiratet war, trieb er sich meist in den schmutzigen Häusern am „Venusberg“ herum. Gustav hatte für die Spittelbergnymphen nicht viel übrig, fürchtete, sich etwas einzufangen. Lieber bandelte er mit einem hübschen, halbwegs anständigen Mädel an. Er hatte vor allem einen Hang zum Ballett, aber auch gegen ein Techtelmechtel mit einer sauberen Putzmacherin oder Probiermamsell hatte er nichts einzuwenden. Polizei-Oberkommissär Rudi Kasper hingegen behauptete, für solche Liebeleien keine Muße zu haben. Zugegeben, diese Affären waren meist komplizierter und vor allem zeitaufwendiger als ein kurzer Besuch bei den Schnepfen hier.
    Gustav kannte die meisten Wirte von früheren gemeinsamen Besuchen mit Rudi. Aber egal, wen er fragte, keiner hatte den Polizei-Oberkommissär heute Abend gesehen.
    Als der schöne Gustav der aufdringlichen Bierhäusl­menscher, die ihn in die winzigen Gaststätten locken wollten, kaum mehr Herr wurde, gab er die Suche auf und machte sich wieder auf den Heimweg.
    Eine stockfinstere Nacht. Haben wir gar schon Neumond?, fragte er sich, als er im schwachen Schein der Gaslaternen über das unregelmäßig verlegte Kopfsteinpflaster die Spittelberggasse hinunterstolperte. Es hatte leicht zu nieseln begonnen. Zwar fürchtete er sich nicht in dieser unheimlichen Gegend, aber es war ihm ein wenig mulmig zumute. Dauernd wurde er von Dirnen angesprochen, die plötzlich in einem der niedrigen dunklen Hauseingänge erschienen. Er legte einen Schritt zu.
    Die alten, ehemals recht hübschen Biedermeierhäuser waren längst dem Verfall preisgegeben. An allen Mauern bröckelte der Verputz ab und bei der kleinsten Windböe kamen die Dachziegel herunter. Man konnte sich seines Lebens nicht mehr sicher sein. Am Platzl verschnaufte er kurz unter einer hohen Linde, die ihn vor dem Nieselregen schützte. Er wollte sich gerade ein Zigarillo anstecken, als er eine Hand auf seiner Schulter spürte. Erschrocken drehte er sich um und blickte in ein pockennarbiges Gesicht.
    „Nein!“ Abwehrend streckte er seine langen Arme aus.
    Das unheimliche Wesen ließ nicht locker, grapschte nach ihm und fuchtelte mit der anderen Hand, die voller Krätze war, vor seinem Gesicht herum.
    Er stieß sie weg, brachte die unförmige Gestalt unabsichtlich zu Fall. Ihr irres Gelächter machte ihm erst recht Angst.
    Gustav verbrachte erneut eine unruhige Nacht. Die Frau, die er am Spittelberg niedergestoßen und die ihn mit ihrem grausigen Lachen verfolgt hatte, als er im Laufschritt zur Burggasse hinuntergeeilt war, suchte ihn in seinen

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