Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Toskana-Verschwörung: Thriller (German Edition)

Die Toskana-Verschwörung: Thriller (German Edition)

Titel: Die Toskana-Verschwörung: Thriller (German Edition)
Autoren: Rolf Dieckmann
Vom Netzwerk:
der Landschaft und der Steuergesetzgebung zu schätzen gelernt hatten.
    Oben am Hang, in Montagnola, mit einem traumhaften Blick auf den Luganer See in einem Haus der gehobenen Preisklasse, hatte Hermann Hesse den größten Teil seines Lebens verbracht und unter anderem »Der Steppenwolf« verfasst. Robert hatte sich immer gefragt, warum einer so lebte und gleichzeitig mit jeder Zeile seiner Verachtung der bürgerlichen Gesellschaft Ausdruck verlieh. In so einer Umgebung ist gut verachten , dachte er sich.
    Jetzt war Robert zu seinen italienischen Wurzeln zurückgekehrt und bewohnte ein Haus mit einem nicht weniger traumhaften Blick auf die toskanische Landschaft. Dort saß er nun auf einer seiner Terrassen, die zu dieser Stunde im Halbschatten lag.
    Die Tonkanne mit Tee, den er am frühen Nachmittag zu trinken pflegte, stand auf einem kleinen Tisch. Er genoss dieses Ritual lieber allein, weil ihm der missionarische Redefluss von Lauro, Fulvio, Vincente, Catarina und den anderen Nachbarn, die ihn zum Genuss von Espresso oder mindestens zur Latte macchiato bekehren wollten, ein wenig auf den Geist ging. Robert liebte nicht nur den Geschmack des Assam-Goldspitzentees; auch das Zeremoniell war ein Teil seines Lebens geworden, das Anwärmen der Tonkanne, das Warten, bis das kochende Wasser nicht mehr sprudelte, und die genaue Einhaltung von drei Minuten Ziehzeit.
    Heute musste er außerdem die Schachpartie zu Ende führen. Da er bisher noch keinen Gegner gefunden hatte, spielte er berühmte Partien nach. Im Moment gerade die zwischen Adolf Andersen und Lionel Kieseritzy, die 1851 in London ausgetragen worden war. Er wollte herausbekommen, ob der Mathematiker Kieseritzky nicht hätte verhindern können, dass er von Andersen – nachdem dieser beide Türme und die Dame geopfert hatte – nach nur dreiundzwanzig Zügen mattgesetzt wurde. Er kannte mehr als hundert berühmte Partien auswendig, aber bisher war er auf keine andere Lösung gekommen. Vielleicht nannte man die Partie aus diesem Grund Die Unsterbliche .
    Das Teetrinken und das Schachspielen gehörten zu den wenigen Angewohnheiten, die Robert aus Baltimore mitgebracht hatte. Genetisch bedingt waren diese Vorlieben allerdings nicht, denn sein Vater trank literweise Kaffee und hasste jede Form von Brettspielen.
*
    William Darling, den alle Bill nannten, hatte eigentlich nur zwei Interessen: die Gewinnmaximierung des Familienunternehmens Darling & Son , in dem seit drei Generationen mit Stoffen gehandelt wurde, und – in jungen Jahren – die Kontaktpflege zu den Käuferinnen der Endprodukte. Sein Großvater hatte mit einer kleinen Leinenweberei angefangen, später die Produktionspalette auf weitere Stoffarten ausgedehnt, und Bill Darling hatte schließlich eine Reihe von exklusiven und sündhaft teueren Stoffen hinzugefügt, die weltweit Käufer fanden. Am liebsten verkaufte er seine Waren in Italien, wo er vor allem die Bekanntschaften mit vielen attraktiven Damen der feinen Gesellschaft genoss. Das war den italienischen Männern jedoch oft ein Dorn im Auge. Sie fanden es besonders dreist, weil Amerikaner ihrer Auffassung nach jeglichen Geschmacks entbehren. Nun wollte einer von ihnen im Mutterland von Mode und Design der Spitzenklasse sogar Stoffe verkaufen. Madonna!
    Bill Darling ließ sich von den Anfeindungen nicht aus der Ruhe bringen. Vielmehr gelang es ihm, seine Waren erfolgreich unters Volk zu bringen. Ob das an der Attraktivität der Stoffe oder an der Verführungskunst des smarten Amerikaners lag, ließ sich allerdings nicht sagen.
    Ganz besonders entflammte er, als sein Auge im Jahre 1971 beim Bankett eines italienischen Geschäftsfreundes in dessen florentinischem Palazzo unweit der Piazza Santa Croce auf die liebreizende Gestalt der gerade dreiundzwanzigjährigen Donatella Medici fiel. Donatella wiederum imponierte das Hoppla-jetzt-komm-ich-Auftreten des hochgewachsenen Dreißigjährigen von der amerikanischen Ostküste. Und die Dinge nahmen ihren Lauf. Bald nach der ersten Begegnung war Donatella schwanger.
    Eine uneheliche Schwangerschaft war in einer florentinischen Familie des höheren Standes zu dieser Zeit schockierend. In einer Sippe, die behauptete, man könne die Familie bis zur Schwester des letzten Großherzogs von Florenz, Anna Maria Louisa de Medici, die 1743 im Alter von sechsundsiebzig das Zeitliche segnete, zurückverfolgen, wucherte dieser Umstand zu einem nationalen Unglück aus, das härteste Konsequenzen nach sich ziehen musste.
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher