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Die Tochter des Tuchkaufmanns: Historischer Kriminalroman (German Edition)

Die Tochter des Tuchkaufmanns: Historischer Kriminalroman (German Edition)

Titel: Die Tochter des Tuchkaufmanns: Historischer Kriminalroman (German Edition)
Autoren: Susann Rosemann
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nichts sonst.
    Wer so hochmütig
mit seinen Kunden umging, war schlicht und ergreifend kein guter Händler! Und sie,
Jolanthe, sie ließ sich nicht von Halsabschneidern beschenken. Wenn sie sich das
nicht schon längst vorgenommen hatte, so galt es ab jetzt und heute.

Kapitel 2
     
    Vor ihrem Zuhause blieb Jolanthe
stehen und blickte die Fassade des mehrstöckigen Gebäudes hoch. Ihr Vater gehörte
nicht zu den reichsten Kaufleuten Ulms, doch zu den alteingesessenen allemal, und
sein Heim konnte sich sehen lassen. Dem unteren Stockwerk in Stein gemauert, schloss
sich oben Fachwerk an mit Läden an den Fenstern, in die Winald im mittleren Teil
Glas hatte einsetzen lassen. Dahinter lag das Kontor, in dem sich vor allem die
Schreibstube befand sowie genügend Platz, um Ware zwischenzulagern. Auf den Fensterbänken
hatte Sieglinde Holzkästen mit Frühlingsblumen bepflanzt. Die Sonne stahl sich zwischen
den Hausdächern hervor und ließ den weißen Putz zwischen den Balken leuchten.
    Jolanthe
schob mit beiden Händen die schwere Eingangstür auf, drehte sich noch einmal um
und sah auf den Weg, den sie gekommen war, doch Katrein ließ sich immer noch nicht
blicken. Entweder das Mädchen hatte sich mal wieder verirrt, oder sie trödelte mit
Absicht, um dem häuslichen Ärger zwischen den Schwestern zu entgehen, den sie wohl
erwartete.
    Was, ihr
habt keinen Pfeffer mitgebracht?, hörte Jolanthe die Stimme Sieglindes in ihrem
Kopf und entgegnete ihr in Gedanken: Ich bin ebenso die Tochter des Hauses wie du
und kann meine eigenen Entscheidungen treffen. Das war eine Tatsache, die hier jeder
zu übersehen schien. »Nur weil du fünf Jahre älter bist, kannst du nicht über mich
bestimmen«, brummte sie.
    Im Flur,
der nur durch ein schmales Fenster erhellt wurde, stellte sie ihren Korb mit den
Fischen auf den Steinboden und zog ihren Umhang aus, den sie sorgfältig zusammenfaltete
und in eine Truhe legte. Wenn ihre Mutter nicht bei der Geburt des einzigen Sohnes
vor Jahren gestorben wäre, hätte sie vielleicht als Maß aller Dinge vermittelnd
zwischen den Schwestern eingreifen können. Der Sohn war ihr gefolgt. Sieglinde hatte
kurz darauf die vom Vater eingesetzte Haushälterin zum Teufel gejagt und spielte
sich seither auf, als habe sie als Einzige das Sagen. Ich weiß am besten, was Vater
braucht, war ihr liebster Spruch. Dasselbe hatte sie gesagt in der Nacht, als es
der Mutter so schlecht ging, als sie Jolanthe daran gehindert hatte, Martha, die
Kräuterfrau, zu holen. »Ich weiß am besten, was Mutter braucht.«
    Ins Kontor
setze Sieglinde kaum je einen Fuß und missbilligte, dass Jolanthe sich dort andauernd , wie sie betonte, herumtrieb. Manchmal fragte Jolanthe sich, wie Sieglinde beim Vater
scheinbar mühelos ihren Kopf durchsetzen konnte, während sie selbst um alles zu
kämpfen hatte.
    Mit dem
Korb in beiden Händen betrat Jolanthe die Küche, in der die Schwester mit einem
Messer frische Kräuter hackte. Die Veilchen lagen auf den Fischen, deren Geruch
den sanften Blütenduft überlagerte. Sie hob die Blumen vorsichtig heraus und nahm
einen Krug vom Regal an der Wand, um ihn mit Wasser aus einem Eimer zu füllen.
    »Was du
nur immer mit den Veilchen hast«, meinte Sieglinde. Sie stand an einer Arbeitsplatte
neben dem Herd und hob mit zwei Lappen einen Steinguttopf darauf, den sie aus dem
Herdfeuer geholt hatte. Als sie ihn öffnete, stieg weißer Dampf empor und verflüchtigte
sich durch das Fenster nach draußen. Es roch nach Bratenkruste.
    »Sie gefallen
mir. Sie sind ein Zeichen des Frühlings.«
    Sieglinde
schob einen Holzscheit in das Ofenfeuer und wischte die Hände an der Schürze ab.
Die Köchin, die normalerweise zur Mittagsstunde immer aushalf, war seit Tagen am
Bett ihres kranken Kindes unabkömmlich. Dennoch schien Sieglinde die Arbeit nicht
über den Kopf zu wachsen. Sie hatte die Dinge im Griff, das musste Jolanthe ihr
zugestehen. Ihre hochgewachsene Gestalt mit dem braunen, aufgesteckten Haar strahlte
eine Grazie aus, die keine Küchenkleidung stören konnte. Sie bewegte sich so anmutig,
als gingen ihr die Tätigkeiten leicht von der Hand. Sie hätte genauso gut am Fenster
stehen und mit einem Tüchlein ihrem Verehrer zuwinken können. Jolanthe wusste, welche
Überlegenheit hinter dieser Fassade stecken konnte.
    Im Grunde
müsste sie längst einen Ehemann haben, dachte sie. Sieglinde war hübsch anzusehen,
im Gegensatz zu Jolanthe, deren Nase, wie sie fand, viel zu charakteristisch aus
ihrem Gesicht
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