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Die Tochter des Schmieds

Die Tochter des Schmieds

Titel: Die Tochter des Schmieds
Autoren: Aufbau
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stimmts? Und du weißt doch sicher auch, wo er es versteckt hat. Willst du ein liebes Mädchen
     sein, Gül, willst du mir verraten, wo dein Vater das Gewehr versteckt hat? Er hat doch sogar zwei, oder? Du bist schon so
     ein großes Mädchen, du weißt bestimmt, wo die Gewehre sind.
    Zum Glück haben wir sie rausgeschickt, dachte der Schmied. Gül schwieg und zog die Schultern hoch.
    Es war bereits stockdunkel, als die Gendarmen aufgaben, sich für den Kaffee bedankten und aufbrachen.
    – Geh mal ins andere Zimmer und bleib dort, bis ich dich rufe, sagte Timur zu Gül.
    – Hat das nicht bis morgen Zeit? fragte Fatma, doch Timur schüttelte nur den Kopf.
    |36| – Geh schon, Gül.
    – Aber ich weiß doch, wo die sind.
    – Wo denn? fragte ihr Vater. Kindergerede.
    Gül lief zur Fensterbank und legte ihre kleine Hand ungefähr dorthin, wo der Hohlraum war.
    Fatma lächelte, hob Gül auf den Arm, küßte sie auf die Wange und sagte:
    – Das hast du sehr gut gemacht. Es ist sehr gut, die Dinge, die im Haus passieren, nicht fremden Leuten zu erzählen. Bravo.
     Ich bin stolz auf dich, mein Schatz. Sehr gut hast du das gemacht.
    Timur merkte, wie seine Hände jetzt anfingen zu zittern.
     
    Gül erzählte auch umgekehrt das, was draußen geschah, nicht zu Hause. In diesem Sommer hatte sie wenig Lust, rauszugehen und
     mit den anderen Kindern zu spielen. Selbst wenn Fatma ihr auftrug, auf Melike aufzupassen, die immerzu raus wollte, fand Gül
     oft einen Vorwand, um im Sommerhaus zu bleiben oder allein im Garten zu spielen, im Schatten der Apfelbäume Häuser aus Lehm
     zu bauen oder Blumen zu pflücken, die sie ihrer Mutter schenkte.
    – Warum spielst du denn nicht mit den anderen Kindern? fragte Fatma. Magst du die nicht? Im Dorf spielst du doch auch immer
     gerne mit den Kindern.
    Gül zog die Schultern hoch und schwieg.
    – Melike spielt auch gerne mit ihnen. Es sind doch nette Kinder, oder?
    Fatma hatte Gül auf ihren Schoß gehoben. Gül zog wieder die Schultern hoch, aber sie legte den Kopf auf den Busen ihrer Mutter.
    – Ärgern die anderen dich? Lachen sie dich aus?
    Gül schüttelte den Kopf.
    – Und warum lachen sie? Weil du beim Nachlaufen immer verlierst?
    Gül schüttelte den Kopf und sagte:
    – Nahlaufen.
    |37| – Du bist doch beim Nachlaufen genauso schnell wie die anderen, es ist doch eigentlich alles in Ordnung.
    – In Ornung, sagte Gül ganz leise.
    Jetzt verstand Fatma sie.
    – Sie lachen dich aus, weil du sprichst wie die Leute vom Dorf.
    Gül senkte den Kopf.
    – Aber das ist doch nicht schlimm. Wenn du ein paar Tage mit ihnen spielst, dann redest du bald genau wie sie, das lernst
     du schnell. Und bis dahin lachen sie dich ein-, zweimal aus, aber dann wird ihnen das zu langweilig. Du brauchst dich doch
     nicht zu schämen.
    Und Fatma griff Gül unter die Achseln und lachte und fing an, sie auszukitzeln, erst langsam, doch schon bald balgte sie sich
     mit ihrer Tochter auf dem Boden. Gül lachte und kreischte, sie setzte sich auf die Beine ihrer Mutter, um ihre Füße zu kitzeln.
     Fatma strampelte ein wenig und schrie, und schließlich ließ sie ihren Körper erschlaffen und sagte:
    – Jetzt hast du mich totgekitzelt.
    Dann blieb sie bewegungslos auf dem Bauch liegen. Gül kitzelte weiter die nackten Fußsohlen ihrer Mutter, doch Fatma biß die
     Zähne aufeinander und ließ sich nichts anmerken. Als einige Zeit lang keine Reaktion kam, hörte Gül auf, setzte sich neben
     Fatma und rüttelte sie.
    – Mama?
    Fatma reagierte nicht.
    – Mama. Nicht tot sein. Mama. Mama?
    Erst als Fatma merkte, daß Gül langsam Angst bekam, öffnete sie mit einem Lachen die Augen, umarmte ihre Tochter und sagte:
    – Ich bin doch hier. Wenn du heute ein bißchen rausgehst, können wir morgen wieder zusammen spielen, in Ornung?
    Von nun an spielten sie jeden Tag zusammen, und manchmal stellte Fatma sich tot. Und Gül mogelte. Sie ging vorne raus, zu
     den Kindern auf der Straße, doch sehr bald ging sie in den Stall, der ein Tor zur Straße und ein Tor zum Garten hatte. Die |38| Mäuse im Stall machten ihr Angst, aber sie schloß einfach die Augen bis auf einen kleinen Spalt, hielt die Luft an und lief
     ganz schnell von einem Tor zum anderen. So verbrachte sie fast den ganzen Sommer, bevor sie eingeschult wurde, allein im Garten.
     
    Es gefiel ihr in der Dorfschule, in der alle sechzig Schüler vom ersten bis zum fünften Schuljahr in einem Klassenraum saßen,
     es gefiel ihr, obwohl der einzige Lehrer
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