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Die Tochter des Schmieds

Die Tochter des Schmieds

Titel: Die Tochter des Schmieds
Autoren: Aufbau
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verbrachten sie die Sommer am Rande der Stadt in dem Sommerhaus und die Winter auf dem Dorf, sie verdienten gut,
     und wenn es auch kein ungetrübtes Glück war, wenn es auch viel Arbeit gab, die Winter hart waren, wenn der Schmied manchmal
     zu Hause tagelang kein einziges Wort sprach und Fatma nicht wußte, was ihn beschäftigte, wenn sie sich abends im Bett auch
     schon mal fragten, woher sie die Kraft für einen neuen Tag nehmen sollten, es waren gute Jahre. Gül lernte laufen, sie spielte
     im Dorf mit den anderen Kindern auf der Straße, Melike lernte laufen, bevor sie sprechen |31| konnte, sie tat fast nie, was ihr gesagt wurde, sie schlug Lärm, wenn ihr das Essen nicht schmeckte, sie brüllte, wenn man
     ihr die Schere abnahm. Seit sie mal eine dicke Beule am Hinterkopf bekommen hatte, als sie sich auf den Boden schmiß, setzte
     sie sich auf den Hintern, wenn sie ihren Willen nicht bekam, ließ sich vorsichtig nach hinten fallen, und erst dann schrie
     sie, tobte, strampelte mit allen vieren, weil sie mit ihren drei Jahren die Kuh noch nicht melken durfte.
    – Meine Liebsten sind schreckhafte Tiere, sagte Timur, sie könnten ausschlagen.
    Und Melike brüllte und schrie, preßte die Luft aus ihren Lungen, strampelte und stampfte auf den Boden, und Timur war ohnehin
     schlecht gelaunt an diesem Abend, zwei Kunden, die hatten anschreiben lassen, waren spurlos verschwunden, und Beşiktaş hatte
     verloren, drei zu null, gegen Galatasaray, die gar nicht in Form gewesen waren, gegen eine Gurkentruppe. Er hatte zum dritten
     Mal die gleiche Stelle am Dach des Stalles ausgebessert, die Leiter lehnte noch an der Wand. Er schnappte sich Melike und
     stieg mit seiner Tochter im Arm auf das Flachdach. Fatma und Gül standen unten und sahen ungläubig zu.
    Am ausgestreckten Arm hielt der Schmied das immer noch schreiende Kind über den Rand des Daches und schrie seinerseits:
    – Ich bin dein Gebrülle leid, ich bin es leid, hörst du? Soll dich der Teufel holen, in den Tiefen der Hölle sollst du schreien.
     Still, gib Ruhe, oder ich lasse dich fallen, hörst du?
    Melike verstummte kurz, doch nachdem die Worte verklungen waren, fing sie wieder an, und mitten in diesem Geschrei hörte Gül
     eine schneidende, fremde Stimme:
    – Timur, hör auf.
    Gül sah zu ihrer Mutter hoch und erkannte, daß sie mit dieser völlig fremden Stimme gesprochen haben mußte. Auch Fatmas Gesicht
     sah ganz ungewohnt aus. Melike hatte aufgehört zu schreien. So standen sie alle vier einige Sekunden reglos da.
    |32| – Bedank dich bei deiner Mutter, sagte Timur und stieg mit Melike die Leiter wieder hinunter.
    – Eines Tages werde ich mich vergessen, fügte er hinzu.
    Sobald er Melike losgelassen hatte, schickte sie sich an, sich vorsichtig auf den Rücken zu legen. Fatma packte sie am Arm
     und zog sie ins Haus. Gül blieb neben ihrem Vater stehen, der den Kopf schüttelte, die Leiter umtrat und schließlich in den
     Stall ging.
     
    Timur war ein von vielen geachteter Mann im Dorf, er stammte aus der Stadt, war wohlhabend, immer freundlich und großzügig,
     und die Männer hatten allein schon vor seinen breiten Schultern Respekt. Doch einige im Dorf mochten ihn nicht, diesen Mann,
     der Gewinne erzielte, indem er ihre Erträge auf dem Markt verkaufte, diesen Mann, der die heißen Monate in seinem Sommerhaus
     verbrachte, als wäre er etwas Besseres, und der im Herbst mehr als genug Geld einstrich, wenn er seine Apfelernte verkaufte.
    Eines Tages steckte einer der Dorfbewohner dem Schmied, daß einer seiner Neider ihn bei der Gendarmerie angeschwärzt hatte,
     sie würden bald kommen, sein Haus zu durchsuchen.
    Der Schmied hatte nichts zu verbergen, er war nicht reich geworden, indem er stahl und hehlte, er hatte nichts in seinem Haus,
     das er nicht im Schweiße seines Angesichts verdient hätte. Er hatte nichts zu befürchten.
    Wenn er die Gewehre versteckte. Er war ein Mann, ein Familienoberhaupt, natürlich mußte er ein Gewehr haben. Er schoß Vögel
     damit, Kaninchen, Füchse, deren Fell Geld brachte, und manchmal schoß er im Sommer Maulwürfe. Entdeckte er einen Hügel in
     seinem Garten, schnappte er sich den Spaten und schaufelte die Erde weg, bis der unterirdische Gang sichtbar wurde. Dann legte
     er sich in einiger Entfernung mit dem Gewehr im Anschlag auf den Bauch und wartete. Früher oder später kam der Maulwurf, um
     das Loch in seinem Gang auszubessern.
    |33| Er war ein Mann, und er hatte zwei Gewehre, die immer
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