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Die Tochter des Kardinals

Die Tochter des Kardinals

Titel: Die Tochter des Kardinals
Autoren: Stefan Fandrey
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sah ihm noch lange nach. Dabei wiegte sie die kleine Giulia zärtlich in ihren Armen.

1
    R OM , 19 J AHRE SPÄTER
    »Schläfst du?«, fragte eine dunkle Frauenstimme.
    Der Mann, der neben ihr auf dem Bett lag, schlug die Augen auf. »Mitnichten«, sagte er und drehte sich auf den Rücken. Er streckte eine Hand aus, streichelte über ihre Wange und strich die lockigen schwarzen Strähnen aus ihrem jungen Gesicht.
    Sie nahm die Hand und küsste jeden einzelnen Finger. »Woran denkst du?«
    Lächelnd entzog er ihr seine Hand und legte sie unter seinen Kopf. »Allegra«, sagte er, »meinen Körper weihe ich deiner Jugend und Schönheit, meine Gedanken jedoch verbleiben dort, wo sie sind.« Er tippte an seine Schläfe.
    Allegra warf lachend den Kopf in den Nacken. »Das war früher einmal anders, Callisto.«
    »Früher?«, echote Callisto. »Seit wann teilen wir das Bett? Seit einem Jahr?«
    »Oh …« Allegra streichelte ihm über den Bauch und schürzte die Lippen. »Sind wir heute ein wenig griesgrämig?«
    »Nein«, gab er zurück. »Allein dein Begriff von Zeit ist mir fremd.« Mit gerunzelter Stirn betrachtete er den Baldachin über dem Bett.
    Wieder lachte sie. »Zeit ist nichts als ein leeres Wort. Ein Jahr vergeht für mich ebenso zügig oder langsam wie für dich.«
    »Das«, sagte er und sah sie an, »ist bloßer Unfug. Dein müßiges Kurtisanenleben vermag schnell oder langsam zu vergehen, doch hängt es von den Umständen ab. Hier in meinem Bett eilt die Zeit gewiss, aber lasse ich dich in den Kerker von Torre di Nona werfen, glaube mir, mein Kind, werden Stunden zu Tagen und Tage zu Monaten.«
    Schmollend warf sie sich auf den Rücken und zog das Laken bis unter das Kinn. »Es ist nicht nötig, mir zu drohen.«
    »Drohen?«, fragte er. »Warum sollte ich dir drohen?«
    »Das frage ich dich!«
    Wieder lächelte er. Es war ein kaltes, versteinertes Lächeln.
    » Er ist es, nicht wahr?«, fragte sie.
    Blitzschnell legte er seine Hand auf ihre Lippen. »Nenne seinen Namen nicht!«
    Allegra riss die Augen auf und schob seine Hand weg. »Wusste ich es doch. Seinetwegen bist du seit Wochen gereizt wie ein toller Hund.«
    »Du weißt gar nichts«, entgegnete Callisto.
    »Wann gedenkst du, endlich etwas gegen ihn zu unternehmen?«
    »Sei still«, sagte er und schloss die Augen.
    Sie richtete sich auf und sah ihn herausfordernd an. »Pah!«, machte sie. »Letztendlich bist du nicht besser als die anderen großmäuligen Schwächlinge. Ihr schwatzt von Veränderungen, von Dingen, die in die Hand genommen werden müssen. Aber am Ende seid ihr alle nur kleine, feige Maden.«
    Allegra sah den Hieb nicht kommen. Callistos Hand traf sie am Kinn, und mit einem Schrei stürzte sie aus dem Bett auf den kalten Boden. Er beugte sich zu ihr hinunter. »Hüte deine Zunge, Hure! Oder ich lasse sie dir mit heißem Eisen herausschneiden. Das Privileg, in meinem Bett zu sein, lässt dich deine Stellung vergessen.«
    Sie saß eingeschüchtert da und starrte ihn wortlos an. Ein dünner Blutfaden rann aus ihrem Mundwinkel.
    Callisto klatschte dreimal laut in die Hände. Sogleich trat ein Diener ein. »Der Ankleider soll kommen!«
    Der Diener verneigte sich und verschwand. Kurz darauf klopfte es, und der Ankleider betrat das Gemach. Die Gewänder, die er auf den Armen trug, legte er neben einem Paravent auf einen mit Goldfäden bestickten Stuhl. An der Wand darüber hing ein farbenprächtiger Gobelin.
    Ohne Allegra zu beachten, stand Callisto auf. Nackt wie er war, ging er durch den großen Raum und stellte sich hinter den Paravent. Der Ankleider begann unverzüglich mit seiner Arbeit. Als Letztes setzte er Callisto den Purpurhut auf das Haupt.
    Callisto kam hinter dem Paravent hervor, besah sich in einem mannshohen goldgefassten Spiegel und richtete hier und da noch eine Kleinigkeit.
    »Habt Ihr weitere Wünsche, Eminenz?«, fragte der Diener.
    »Nein«, antwortete Callisto, ohne den Blick von seinem Ebenbild zu wenden. »Du kannst gehen.«
    »Sehr wohl, Eminenz«, sagte der Diener und verschwand.
    Allegra war zurück in das Bett gekrochen. »Wann wirst du zurück sein?«, fragte sie, als wäre nichts geschehen.
    »Ich weiß es nicht«, sagte Callisto. »Ich sorge dafür, dass es dir während meiner Abwesenheit an nichts mangelt.«
    »Mir hat es in deinem Haus noch nie an etwas gemangelt«, sagte sie mit einem schnippischen Unterton. Dann fügte sie liebevoll hinzu: »Komm wohlbehalten zurück.«
    »Warum sollte ich nicht?«, fragte
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