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Die Tigerin

Die Tigerin

Titel: Die Tigerin
Autoren: Carter Brown
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sein Gesicht glättete sich
wieder.
    »Aber
dies — dies ist völlig unprogrammmäßig «, protestierte
er mit schockierter Stimme. »Ich muß gestehen, ich konnte es selber kaum
glauben, als mir Jordan davon berichtete .«
    »Jordan ?« fragte ich.
    »Der
Mann, der Ihnen das Tor geöffnet hat«, erklärte er. »Er hatte heute früh mit
seiner Arbeit begonnen, um alles für eine Beerdigung um elf Uhr vormittags
vorzubereiten .« Er schloß für eine Sekunde gequält die
Augen. »Die Frau eines unserer hervorragendsten Mitbürger. Ich weiß nicht, wie
ich das alles erklären soll — «
    »Was
ist denn nun eigentlich genau geschehen ?« fragte ich
geduldig.
    »Ich
glaube, Sie sehen am besten selber nach, Lieutenant — äh — Wheeler ?« Seine Hand zuckte, wie von einem unsichtbaren Draht
gezogen, nach oben, und er begann, sich im Nacken zu kratzen, was ein leises
Geräusch verursachte. »Jordan hat mich gleich, nachdem er sie gefunden hatte,
angerufen, und ich wies ihn an, vor dem Eintreffen der Polizei nichts
anzurühren. Es ist nicht sehr weit von hier — wenn Sie bitte mitkommen wollen ?«
    Er
ging einen an der Seite des Gebäudes entlangführenden Weg hinab über einen
Rasen, der so üppig war, daß man nicht umhin konnte, sich zu fragen, woher er soviel strotzende Lebenskraft bezog. Wir kamen an einem
Brunnen vorbei, wo das kristallklare Wasser in sanftem Bogen aus den offenen
Mündern bronzener Putten floß und strebten dann einen von Bäumen umsäumten Weg
entlang, an dessen beiden Seiten man eindrucksvolle Marmorgrabsteine erblicken
konnte. In der »Ewigen Ruhe« hatten sie ganze Arbeit geleistet, was die
irdische Erinnerung an die Hingeschiedenen betraf; alles mit dem Tod
zusammenhängende Unerfreuliche war gemildert, und wenn es ihnen auch nicht ganz
gelungen war, die Unabänderlichkeit des Jenseits zu überwinden, so war sie doch
mit einer gewissen kostspieligen Eleganz kaschiert, die in null Komma nichts
wilden Schmerz in philosophische Plattitüden zu verwandeln vermochte.
    »Hier,
Lieutenant!« Williams blieb stehen und streckte
dramatisch den Zeigefinger aus.
    Zwischen
einem aufragenden Granitblock auf der einen und einem Engel mit gesenktem Haupt
und gefalteten Marmorflügeln auf der anderen Seite befand sich ein großer
freier Platz, in dessen Mitte ein Grab ausgehoben worden war. Die Erde lag
säuberlich daneben auf gehäuft. Ich trat ein paar Schritte näher und spähte in
die zwei Meter tiefe Grube.
    »Himmel !« sagte neben mir Polnik mit
erstickter Stimme. »Das kann doch nicht sein, Lieutenant, das ist unmöglich !«
    Unten
im Grab lag ein Sarg — ein echter teurer Sarg mit goldenen Griffen und allem
Drum und Dran. Der Deckel fehlte, und drin lag, bequem auf Samt gebettet, die
Leiche eines Mädchens mit langem dunklem, üppigem Haar, das ihr über die
Schultern hing. Sie trug ein sehr elegantes schulterfreies Abendkleid aus
schwarzer Seide, das das beinahe leuchtende Weiß ihrer Haut hervorhob.
    Ihre
Hände waren fein säuberlich über der Brust gefaltet, die Augen geschlossen, und
auf ihrem Gesicht lag ein ruhiges Lächeln. An ihrem rechten Handgelenk trug sie
ein mit Rubinen besetztes Goldarmband, das in der Sonne glitzerte.
    »Ich
kann einfach nicht begreifen, wie sie hierhergekommen ist«, sagte Williams mit
gequälter Stimme. Er kratzte sich mit seinen dünnen Fingern heftig die Stirn.
»Ich verstehe nicht, wie das möglich sein konnte. Das Tor wird jeden Abend um
sieben Uhr geschlossen, Lieutenant .«
    Ich
kletterte und rutschte unbeholfen in das Grab hinunter, neben den Sarg,
berührte leicht den nackten Arm über dem Armband und fand ihn eisig kalt.
    »Ist
sie tot, Lieutenant ?« fragte Polnik heiser von oben herunter. »Ich meine — sie ist doch nicht etwa in Trance oder
so was ?«
    »Wenn
das Trance ist, dann kann sich jemand ein Vermögen damit verdienen. Rufen Sie
im Büro des Sheriffs an und sorgen Sie dafür, daß Doc Murphy hierherkommt .«
    In
den nächsten paar Sekunden hörte man nichts als Polniks schweren Atem. »Das Telefon, Lieutenant ?« krächzte er
schließlich. »Ist es dort drin — in diesem Gebäude ?«
    »Wenn
Sie den Weg zurückgehen, kommen Sie zu einer Seitentür, Sergeant«, sagte
Williams hilfswillig. »Sie führt zum Büro des Hausmeisters. Dort ist ein
Telefon .«
    »Na
schön, solange sich dort sonst nichts findet !« murmelte Polnik und polterte davon wie ein
Zirkuselefant, der keine rechte Lust hat, den großen Gummiball zu
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