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Die Therapie: Psychothriller (German Edition)

Die Therapie: Psychothriller (German Edition)

Titel: Die Therapie: Psychothriller (German Edition)
Autoren: Sebastian Fitzek
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sah kurz aus dem Seitenfenster des Volvos.
    Viktor wischte sich die Tränen mit dem Handrücken aus dem Gesicht und zog die Nase hoch.
    »Sag mir, dass das nicht wahr ist.«
    »Das kann ich leider nicht.«
    »Das ist doch alles Scheiße. Du bist doch komplett irre.«
    »Ja, das bin ich, Viktor. Es tut mir Leid.«
    »Warum quälst du mich? Warum denkst du dir das alles aus? Josy ist nicht tot.«
    »Doch.«
    Sie ist nicht schizophren, Dr. Larenz. Alles, was sie sagt, hat sie wirklich getan.
    Der Motor heulte jetzt auf, und Viktor sah durch die regennasse Windschutzscheibe verschwommen eine Reihe von Lichtern in einiger Entfernung auf sich zukommen.
    »Hab keine Furcht, es ist gleich vorbei.« Sie griff nach seiner Hand.
    »Wer bist du?«, schrie er sie an. »Woher weißt du das alles?«
    »Ich bin Anna. Anna Spiegel.«
    »Verdammt, nein. Wer bist du wirklich? Was willst du von mir?«
    Die Lichter kamen näher, und jetzt sah man trotz fehlender Scheibenwischer ganz deutlich, wo sie waren. Der Volvo befand sich auf einem Steg über dem Meer und raste den Wellen entgegen.
    »Sag mir endlich, wer du bist!«, brüllte Viktor und fühlte sich trotz seiner Todesangst so wie damals in der Schule nach einer Prügelei. Verrotzt, verheult und unendlich deprimiert.
    »Ich bin Anna Spiegel. Ich habe Josy umgebracht.«
    Die Lichter waren nur noch etwa zweihundert Meter entfernt. Das Auto musste mindestens tausend Meter auf das offene Meer hinausgefahren sein, und jetzt empfing sie am Ende des Weges die unendliche Weite der kalten Nordsee.
    »W E R  B I S T  D U ?«
    Viktors Stimme überschlug sich, aber sie ging sofort unter in dem Gemisch aus Motorengeheul, Wind und Wellentosen.
    »Anna. Ich bin Anna Spiegel. Aber warum verplemperst du deine letzte Zeit mit Nebensächlichkeiten? Die Geschichte ist noch nicht zu Ende. Du hast noch eine Seite zu lesen.«
    Viktor schüttelte den Kopf und wischte sich etwas Blut ab, das ihm aus seiner Nase heraustropfte.
    »Na schön«, sagte sie. »Dann tue ich dir jetzt einen letzten Gefallen und werde es dir vorlesen.«
    Anna nahm Viktor das letzte Blatt aus der Hand.

    Und während das Auto unbarmherzig aufs tosende Meer zuraste, fing sie an.

56. Kapitel
»Josy war tot. Es gab keinen Zweifel. Ich drückte das kleine, leblose Mädchen an mich und wollte selbst laut losschreien. Aber der Ölfilm verklebte meinen Mund und nahm mir mein Ventil, um die Trauer nach draußen zu lassen. Es wäre mir jetzt egal gewesen, ob mich jemand hörte. Ob Isabell mich hörte. Sie hatte ja ihr Ziel erreicht. Josy, ihre eigene Tochter, das Mädchen, das mich seit Tagen begleitet hatte, war tot.
Ich stand auf und stieg aus dem Tank. Ich öffnete die Tür, wischte mir das Öl mit dem Handrücken vom Mund und rief ihren Namen.
Isabell. Erst leise. Dann lauter. I S A B E L L !
Ich lief einige Meter vom Generatorhaus weg auf die Veranda zu.
I S A B E L L !  M Ö R D E R I N !
Und tatsächlich. Auf einmal hörte ich ein Knacken. Hinter mir. Ganz leise. Ich drehte mich um und sah sie aus dem Schuppen kommen. Und da wusste ich: Sie hatte ihn nie verlassen. Sie war so lange darin geblieben, bis sie sicher war, dass ich ihr Kind erstickt hatte.
Langsam bewegte sie sich auf mich zu. Ich konnte sie nur schemenhaft erkennen, weil das Öl immer noch mein linkes Auge verschmierte. Doch dann war sie nur noch wenige Schritte von mir entfernt, und ich konnte wieder klar sehen. Und völlig klar denken.
Sie reichte mir ihre Hand, die ebenfalls mit Öl beschmutzt war, und da begriff ich endlich meinen Irrtum. Ich hatte mich getäuscht. Die ganze Zeit. Alles war nur ein großer Irrtum. Und es war meine Schuld. Denn vor mir stand nicht Isabell. Vor mir stand …«
    … Viktor sah Anna in die Augen, bevor sie die entscheidenden Worte sprach. Und dann passierte es.
    In dem Moment, in dem der Wagen abhob und auf die Wellen zuflog, lichtete sich der Nebel, und Viktor begann alles zu verstehen.
    Eine Heizung. Die Deckenlampe. Das kleine Zimmer.
    Auf einmal war ihm alles klar.
    … das weiße Metallbett, die graue Tapete, der Tropf.
    Jetzt verstand er. Jetzt machte alles Sinn.
    Anna Spiegel!
    Die Erkenntnis durchflutete seinen Körper und nahm Besitz von seinem Geist.
    Vor mir stand …
    Die Bedeutung war plötzlich klar: Anna. Vorwärts wie rückwärts gelesen. Spiegel verkehrt.
    »Ich bin du!«, sagte er zu ihr und sah, wie das Auto langsam verschwand und sich in ein Klinikzimmer verwandelte.
    »Ja.«
    Viktor
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