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Die Therapie: Psychothriller (German Edition)

Die Therapie: Psychothriller (German Edition)

Titel: Die Therapie: Psychothriller (German Edition)
Autoren: Sebastian Fitzek
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Zeitschriften. Er war ein beliebter Gast in Talkshows. Nicht zuletzt wegen seines guten Aussehens und seiner lockeren Art, komplizierte seelische Probleme auch für Laien verständlich zu erklären. Heute allerdings sprach er in Rätseln.
    »Ich muss sofort zu meiner Tochter!«
    Der Junge, den er zur Seite gestoßen hatte, spürte instinktiv, dass mit dem Mann etwas nicht stimmte, und ging noch einen Schritt beiseite. Auch Maria war verunsichert und bemühte sich, ihr stereotypes, eingeübtes Lächeln nicht zu verlieren.
    »Ich verstehe leider nicht, wovon Sie reden, Dr. Larenz«, sagte sie und griff sich nervös an ihre linke Augenbraue. Normalerweise steckte hier ein Piercing, an dem sie immer zupfte, wenn sie aufgeregt war. Doch ihr Chef Dr. Grohlke war konservativ, und sie musste den silbernen Steckstift rausnehmen, sobald Patienten in der Praxis waren.
    »Hat Josephine denn überhaupt einen Termin für heute?«
    Larenz öffnete den Mund, um ihr seine Antwort entgegenzuschleudern, hielt dann aber inne und schloss ihn wieder. Natürlich hatte sie heute einen Termin. Isabell hatte ihn telefonisch fest vereinbart. Und er hatte Josy hingefahren. Wie immer.
    »Was ist eigentlich ein Allergologe, Papi?«, hatte sie ihn noch im Auto gefragt. »Macht der das Wetter?«
    »Nein, Maus. Das ist ein Meteorologe.« Er hatte sie im Rückspiegel beobachtet und sich gewünscht, ihr blondes Haar streicheln zu können. Sie war ihm so zerbrechlich erschienen. Wie ein Engel auf japanischem Seidenpapier.
    »Der Allergologe kümmert sich um Menschen, die mit bestimmten Stoffen nicht in Berührung kommen dürfen, weil sie sonst krank werden.«
    »So wie ich?«
    »Vielleicht«, hatte er gesagt. Hoffentlich, hatte er gedacht. Das wäre wenigstens eine Diagnose. Ein Anfang. Die unerklärlichen Symptome ihrer Krankheit beherrschten mittlerweile die gesamte Familie. Josy ging schon seit einem halben Jahr nicht mehr zur Schule. Die Krämpfe kamen meistens so unvermittelt und unregelmäßig, dass sie es in keinem Klassenzimmer lange ausgehalten hätte. Isabell arbeitete daher nur noch halbtags und organisierte Josys Privatunterricht. Und Viktor hatte seine Praxis in der Friedrichstraße ganz geschlossen, damit er sich rund um die Uhr seiner Tochter widmen konnte. Oder besser gesagt ihren Ärzten. Doch trotz des Mediziner-Marathons, den sie in den letzten Wochen absolviert hatten, waren alle Experten, die sie konsultierten, ratlos. Sie konnten keine Erklärung für Josys periodisch wiederkehrende Fieberkrämpfe liefern, für die ständigen Infektionskrankheiten oder das nächtliche Nasenbluten. Manchmal wurden die Symptome geringer, verschwanden zuweilen sogar ganz, so dass die Familie Hoffnung schöpfte. Doch nach einer kurzen Pause ging alles von vorne los, meistens mit noch schlimmeren Attacken. Bisher konnten die Internisten, Hämatologen und Neurologen lediglich ausschließen, dass es sich um Krebs, Aids, Hepatitis oder um eine andere ihnen bekannte Infektion handelte. Selbst auf Malaria war Josephine bereits getestet worden. Negativ.

    »Dr. Larenz?«
    Marias Worte katapultierten Larenz in die Realität zurück, und er registrierte, dass er die Sprechstundenhilfe die ganze Zeit mit offenem Mund angestarrt haben musste.
    »Was haben Sie mit ihr angestellt?« Er hatte seine Stimme wiedergefunden, und nun wurde sie mit jedem Wort lauter.
    »Wie meinen Sie das?«
    »Josy. Was haben Sie mit ihr gemacht?«
    Larenz brüllte jetzt, und die Gespräche der wartenden Patienten verstummten schlagartig. Man sah es Maria an, dass sie nicht die leiseste Ahnung hatte, wie sie mit dieser Situation umgehen sollte. Natürlich war sie als Sprechstundenhilfe bei Dr. Grohlke außergewöhnliches Verhalten von Patienten gewohnt. Schließlich war das hier keine Privatpraxis, und die Uhlandstraße zählte schon lange nicht mehr zu den vornehmsten Adressen Berlins. Immer wieder schwemmte die nahe gelegene Lietzenburger Straße Prostituierte und Junkies in die Warteräume. Und niemand wunderte sich, wenn beispielsweise ein abgemagerter Stricher auf Entzug die Sprechstundenhilfe anschrie, weil er sich nicht wegen seiner Ekzeme behandeln lassen wollte, sondern eine Arznei brauchte, die seine Schmerzen lindern konnte.
    Nur lag heute der Fall etwas anders. Denn Dr. Viktor Larenz trug keinen dreckigen Trainingsanzug und kein durchlöchertes T-Shirt. Er hatte keine ausgelatschten Turnschuhe an, und sein Gesicht war keine Sammelstelle für aufgeplatzte, eiternde
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