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Die Terranauten 042 - Der Sammler

Die Terranauten 042 - Der Sammler

Titel: Die Terranauten 042 - Der Sammler
Autoren: Harald Münzer
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wartete.
    Gesichter im Nebel … Fremdartige Gesichter …
    Ein Gesicht wie eine Knospe, eingefaßt in purpurne Blütenblätter. Die Knospe schimmert in einem strahlenden Goldton, sie pulsiert wie der Nebel …
    Dann das Gesicht eines Mannes, eine verzerrte Maske, böse und traurig zugleich. Das Wispern, jetzt plötzlich stärker, kündet von unerträglicher Qual, von Schmerzen des Körpers und der Seele …
    Lyda versuchte zu schreien, aber da waren keine Stimmbänder, die den Schrei hätten bilden können, kein Mund, der sich öffnete …
    Plötzlich ein neues Gesicht, aber nicht draußen im Nebel, sondern in Lyda selbst: das Gesicht ihrer Angst.
    Grüne, vom Schimmel zerfressene Haut. Lydas Gesicht!
    Jetzt bahnte sich der Schrei einen Weg in den Nebel, ohne Stimmbänder und Mund. Ein geistiger Schrei, der die wallenden Schwaden durchdrang und zerriß.
    Ungläubiges Staunen erfüllte Lyda und ließ sie die Angst vergessen.
    Vor ihr, inmitten einer Insel des Lichts, erhob sich ein Kegel in den Himmel – ein rosenfarbener Kegel mit abgerundeter Spitze. Und mit einem Mal wußte Lyda, daß dieser Kegel der Ort war, von dem das Wispern und die Kraft, die sie durch den Nebel gezogen hatte, ausgingen.
    Neugierig näherte sie sich dem Kegel, in einer seltsam wellenförmigen Bewegung. Befand sie sich vielleicht in einem Boot auf stark bewegter See?
    Sie wollte nach unten blicken, und da war tatsächlich das Meer – aber viele Meter unter ihr. Sie flog, flog hoch über dem Meer dahin. Und trotzdem schienen sich die Bewegungen der Wellen, der Rhythmus des Meeres auf ihren Körper (oder ihren Geist?) zu übertragen.
    Ein grenzenloses Staunen überfiel Lyda.
    Dann erwachte sie.
     
    *
     
    »Was …? Wieso …?«
    »Ruhig, Lyda. Ganz ruhig. Es ist alles in Ordnung.«
    Diese Stimme … Warm, beruhigend, freundlich …
    Mit einem Ruck setzte Lyda Mar sich auf und öffnete die Augen. Ihr Blick fiel direkt auf das faltige Gesicht Damon Credocks. Aus Credocks braunen Augen, die unverwandt auf Lyda gerichtet waren, sprach eine fast väterliche Sorge um seine Schülerin.
    »Du hast geträumt?« erkundigte Credock sich, ohne daß seine Frage aufdringlich gewirkt hätte. Beim Sprechen stülpte er wie immer seine Unterlippe vor, eine Angewohnheit, die Lyda zu Anfang ihrer Bekanntschaft gestört hatte. Mittlerweile hatte sie sich jedoch daran gewöhnt, ja, Credocks Art zu sprechen gefiel ihr inzwischen sogar irgendwie.
    Und wenn sie ganz ehrlich zu sich selbst war, mußte sie zugeben, daß ihr eigentlich alles gefiel, was Damon Credock sagte oder tat. Lyda Mar war zum ersten Mal in ihrem Leben rettungslos verliebt.
    Mit einem leisen Seufzer registrierte sie, daß Credock seinen Arm um ihre Schultern gelegt hatte, um sie zu stützen. Die Berührung des Mannes hätte ihr eigentlich angenehm sein müssen, aber aufgrund ihrer puritanischen Erziehung – Lyda stammte von Naria, einem Planeten mit einer dem 19. Jahrhundert entlehnten Moral – fühlte sie statt dessen ein gewisses Unbehagen.
    Innerlich verfluchte sie ihre Unsicherheit und wandte den Blick von Credocks freundlichem Gesicht ab. Zugleich versteifte sie sich und setzte sich noch aufrechter hin, so daß ihr Gewicht nicht mehr auf dem Arm des Mittlers ruhte.
    Die Erinnerung an den Traum verblaßte bereits. Die Sinneseindrücke und Gedanken nach dem Erwachen überlagerten die vagen Bilder.
    »Ich habe geträumt, ja«, sagte Lyda fast unwillig. »Etwas von einem Nebel und einer wispernden Stimme. Habe ich im Schlaf gesprochen oder mich bewegt? Ich meine, wieso …?«
    »Ich sah den Traumhaken wegfliegen«, erklärte Damon Credock und berührte sanft Lydas linke Hand.
    Unwillkürlich blickte die junge Terranautin auf ihren Handrücken. Die winzige Wunde, die der Biß des Traumhakens hinterlassen hatte, war bereits verkrustet und verursachte ihr keinerlei Schmerzen.
    Ein Traumhaken … Die Erkenntnis, daß der Traum nicht in ihrem eigenen Unterbewußtsein entstanden, sondern vom Biß eines dieser seltsamen libellenähnlichen Lebewesen hervorgerufen worden war, elektrisierte Lyda. Schon damals, als sie zum ersten Mal von einem Traumhaken befallen worden war, hatte sie die Harmlosigkeit dieser Tierart erkannt. Aber trotzdem löste der Gedanke, daß sie erneut einen Kontakt mit einem Traumhaken gehabt hatte, ein nicht näher bestimmbares, ungutes Gefühl in ihr aus.
    Vielleicht, überlegte Lyda, liegt das daran, daß ich nicht akzeptieren kann, eine Mittlerin zu sein?
    Lyda verdrängte
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