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Die Teppichvölker: Roman (German Edition)

Die Teppichvölker: Roman (German Edition)

Titel: Die Teppichvölker: Roman (German Edition)
Autoren: Terry Pratchett
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Götter aller freundlichen Geschöpfe müssen bei seiner Geburt zugegen gewesen sein – ob er an sie glaubt oder nicht. Natürlich wird er geschwächt bleiben, bis die Wirkung des Gifts ganz nachläßt. Mindestens zwei Tage lang sollte er im Bett bleiben, und deshalb habe ich Bertha mitgeteilt, es seien sechs Tage der Ruhe notwendig. Vermutlich nörgelt und quengelt er so sehr, daß sie ihn übermorgen aufstehen läßt, und dann fühlte er sich allein deshalb besser, weil er glaubt, sich mir gegenüber durchgesetzt zu haben. Positives Denken, darauf kommt's an.«
    Er musterte Snibril. »Was ist los mit dir? Du kannst von Glück sagen, mit dem Leben davongekommen zu sein.« Pismire bemerkte Banes Lächeln und fügte hinzu: »Oh, ich weiß, daß solche Hinweise eigentlich sinnlos sind, aber … Meiner Ansicht nach sollten jene Leute, die Helden besingen, auch mal daran denken, wer nach den vollbrachten Heldentaten aufräumen muß.«
    Er hob seinen Kräuterbeutel. »Und zwar hiermit. Es sind nur verschiedene Sorten Staub und einige nützliche Pflanzen. Das ist keine Medizin. Damit kann man die Patienten nur bei Laune halten, während sie krank sind. Ach, wir haben soviel verloren.«
    »Das hast du schon einmal gesagt«, erinnerte sich Snibril. » Was haben wir verloren?«
    »Wissen. Richtige Medizin. Bücher. Karpographie. Die Faulheit betrifft nicht nur Personen, sondern auch Reiche. Wenn man sich nicht ums Wissen kümmert, verschwindet es nach und nach. Zum Beispiel das hier.«
    Der Schamane holte einen Gürtel hervor, der aus sieben unterschiedlich gefärbten Quadraten bestand. Riemen hielten sie zusammen.
    »Dieses Objekt stammt von den Schlauen. Na los, frag mich ruhig!«
    Snibril kam der Aufforderung nach. »Wer, äh, sind die Schlauen?«
    »Na bitte. Ein alter Stamm. Einst der Stamm – das erste Teppichvolk. Den Schlauen gelang es, die Fliesen zu überqueren und das Feuer zu holen. Sie brachen Holz bei Holzwand. Sie fanden heraus, wie man Lack von Einstuhlbein schmilzt. Heute bekommt man sie nur selten zu Gesicht, aber damals waren sie immer und überall zugegen, schoben ihre großen Kessel fürs Kochen von Lack von Dorf zu Dorf. Die erstaunlichsten Dinge konnten sie damit anstellen … Wie dem auch sei: Sie fabrizierten diese Gürtel, aus sieben verschiedenen Substanzen: Teppichhaar, Bronze von Hochtorland, Lack, Holz, Staub, Zucker und Schotter. Jeder Schlaue mußte einen anfertigen.«
    »Warum?«
    »Um zu beweisen, daß er dazu fähig war. Mystizismus. Nun, das war vor langer Zeit. Seit Jahren habe ich keine Schlauen mehr gesehen. Und jetzt verwendet man ihre Gürtel als Halsbänder für schwarze Snargs. Ja, wir haben viel verloren. Zuviel wurde niedergeschrieben und dann vergessen.« Pismire schüttelte den Kopf. »Ich mache jetzt ein Nickerchen. Weckt mich, wenn wir aufbrechen.« Er schlurfte zu einem der Karren und zog sich dort eine Decke über den Kopf.
    »Was bedeutet das?« fragte Snibril.
    »Ein Nickerchen«, antwortete Bane. »Das ist ein kurzer Schlaf.«
    »Nein, ich meine die Behauptung, es sei zuviel niedergeschrieben worden. Wer hat zuviel niedergeschrieben? Und warum?«
    Zum erstenmal entdeckte Snibril Anzeichen von Unbehagen in Banes Gesicht.
    »Laß dir das von Pismire erklären«, sagte er. »Jeder hat … gewisse Dinge, an die er sich erinnert.«
    Glurks Bruder beobachtete, wie Bane geistesabwesend auf Rolands Schnauze klopfte. Wer war er? Irgendwie gelang es ihm, andere Leute davon abzuhalten, entsprechende Fragen zu stellen. Er wirkte wie ein Wilder, doch gleichzeitig ging etwas Seltsames von ihm aus … Snibril dachte in diesem Zusammenhang an einen Topf, der über Arme und Beine verfügte und dessen Inhalt fast überkochte. Eine angemessene Beschreibung für Bane, fand er. Alle seine Bewegungen erweckten den Eindruck, vorher genau überlegt und geplant worden zu sein. Snibril wußte nicht, ob er einen Freund in dem Fremden sehen durfte. Er hoffte es, denn bestimmt war er ein schrecklicher Feind.
    Mit dem Gürtel im Schoß lehnte er sich zurück und dachte an die Schlauen. Irgendwann schlief er ein. Einerseits erschien es ihm wie Schlaf, doch andererseits hörte er nach wie vor die Geräusche des Lagers und sah auch die Konturen von Verbranntes Ende jenseits der Lichtung. Es handelte sich um ein sonderbares Erlebnis, das wie ein Traum anmutete. Ein verschwommenes Bild in der von Rauch erfüllten Luft zeigte Snibril den Teppich. Er flog durch die Haare, ein ganzes Stück über dem Staub.
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