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Die Templerverschwoerung

Die Templerverschwoerung

Titel: Die Templerverschwoerung
Autoren: Daniel Easterman
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hergestellt wäre. Hier im Herzen Englands, in William Blakes »grünem und lieblichem Land«, steht sie, benannt nach dem wichtigsten Gotteshaus der Christenheit, der Grabeskirche von Jerusalem. Jener Kirche auf dem Kalvarienberg, wo Jesus gekreuzigt wurde, die man über dem Heiligen Grab errichtete, in das man ihn bettete und aus dem er wiederauferstand. Die gleichnamige von Cambridge wurde im Jahre 1130 zwischen dem Ersten und dem Zweiten Kreuzzug erbaut. Vielleicht sollen die Köpfe auf den Säulen den mittelalterlichen Götzen Baphomet darstellen, den Menschenfresser, den man auch den falschen Propheten Mahound – später Mahomet – nannte, in unseren Tagen Mohammed, der die Menschen zu Wollust und Mord verführt. Die Kreuzfahrer glaubten daran, und bei den Tempelrittern galt es als unumstritten. Die Zeiten haben sich geändert. Heute wagt es niemand mehr, den Propheten der muslimischen Welt zu verhöhnen, aber die Köpfe in der Rundkirche schauen immer noch von ihren Säulen herab, scheinen zu lauschen und zu flüstern.
    Kaleb Ameta überlief ein Schauer, als er die Sidney Street entlangging. Schnee gehörte nicht zu seiner natürlichen Lebensumwelt. Bevor er nach Cambridge gekommen war, um hier zu arbeiten, hatte er wirkliche Kälte nur aus dem Simien-Gebirge im Norden seines geliebten Äthiopiens gekannt.Aber der Schönheit der in strahlendes Weiß gehüllten Straßen und College-Gebäude konnte auch er sich nicht entziehen. Die Schneeluft machte seiner alten Lunge zu schaffen, doch sie verlieh allem ringsum eine Frische, die so recht zu seiner Stimmung passte. Er fühlte sich an diesem Tag so beschwingt, dass er überhaupt nicht an seine Lunge dachte. Das hatte seinen Grund. Die Aktentasche in seiner rechten Hand wog schwer, und der Gedanke an ihren Inhalt ließ sein Herz höherschlagen.
    Zum Weihnachtsfest rüstete man sich hier reichlich früh. In seinem Heimatland hätte er noch weitere zwei Wochen warten müssen – bis zum 7. Januar, dem orthodoxen Christfest. Der Schnee war schön anzusehen, aber es strengte ihn an, sich einen Weg durch das frische Weiß zu bahnen. Er wurde alt – ein Mann in den Sechzigern mit weißem Haar und einem Buckel. In England lebte er bereits zu lange, hatte zwar an Jahren, aber nicht an Ansehen gewonnen. Seit seine Frau vor sechs Monaten gestorben war, stand er praktisch allein da. Freunde hatte er nur unter den Kollegen an der Universität oder unter den wenigen Äthiopiern in Cambridge. Heute war für sie ein wichtiger Tag. Ein Gottesdienst nach ihren Riten wurde in der Rundkirche abgehalten, die so gestaltet war, wie er sie als kleiner Junge in der nördlichen Stadt Axum gekannt hatte. Kirchen in Äthiopien waren entweder rund oder rechteckig, aber in jeder war hinter prächtigen Vorhängen eine Stein- oder Holztafel mit einer Abbildung der Bundeslade aufgestellt, die unter den goldenen Schwingen der Seraphim in Salomos Tempel gestanden hatte. Von ihr wanderten seine Gedanken zu der Lehrstunde des Zentrums für Afrikanische Studien, die er um 11.00 Uhr abhalten wollte. Es war der letzte Tag des Semesters; die meisten Studenten hatten sich bereits in die Weihnachtsferien verabschiedet.Für seine kleine Gruppe hielt er eine Überraschung bereit. Er wollte den jungen Leuten über die Feiertage etwas zum Nachdenken mitgeben. Jahre intensiver Forschungsarbeit zahlten sich jetzt endlich aus. Die Entdeckung, die er gemacht hatte, würde die Welt erschüttern.
    Zu seiner Rechten ließ er Sidney Sussex College hinter sich. Bis zur Rundkirche blieben nur noch wenige Meter. Andere Äthiopier strebten ihr zu, die Gesichter vermummt, in Anoraks, Mäntel und Lederjacken gehüllt, um warm zu bleiben. Ob gläubig oder nicht, sie kamen alle, denn dies war ein Tag, an dem sie sich zu ihrer Kultur, zu ihrem Erbe bekennen konnten. Im Alltag waren sie Vertriebene, die fern von der Heimat in einem kalten Land ein trauriges Leben fristeten. Kaleb war dankbar, dass er sich als Leiter des Fachbereichs Äthiopische Studien der Universität in einigen winzigen Räumen des Zentrums für Afrikanische Studien täglich mit äthiopischer Kultur befassen durfte. Jetzt schickte er sich an, so meinte er, die größte Entdeckung in der Geschichte seiner Disziplin öffentlich zu machen, einen Fund, der auf allen Kontinenten Widerhall finden würde.
    Der provisorische Altar in der Kirche stand, in eine Wolke von Weihrauch gehüllt, gleich dem Schirm, der die Lade vor dem Hohepriester verbirgt, wenn er sie
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