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Die Tagebücher (German Edition)

Die Tagebücher (German Edition)

Titel: Die Tagebücher (German Edition)
Autoren: Richard Burton
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seinen vorgeblichen Idiotien Nevill an den Rand der Raserei getrieben, aber weil der ja nun mal beinahe ein Heiliger ist, hat er sich zurückgehalten. E. dagegen konnte sich nicht mehr beherrschen. Sie hat’s ihm mit voller Wucht gegeben, während der Sendung und danach. Sie hat sich vor Wut fast überschlagen und konnte kaum noch ein klares Wort herausbringen.
    Am Sonntagvormittag habe ich mit Wystan Auden im Union Gedichte gelesen. Er hat hauptsächlich seine eigenen Sachen gelesen, darunter auch seine Gedichte über Coghill und MacNeice. 194 Ich fand beide Gedichte sehr gelungen, aber er hat sie mit diesem komischen Singsang gelesen, so tonund farblos wie die meisten Dichter lesen. Ich erinnere mich noch an Yeats und Eliot und MacLeish, die ihre stimmungsvollsten Gedichte so monoton vortrugen, dass man wie gelähmt war. Nur Dylan konnte seine eigenen Sachen vortragen. Auden hat ein eindrucksvolles Gesicht und ist beeindruckend intelligent, aber ich wette, obwohl seine Gedichte wie alle wahre Poesie universell verstanden werden soll und für alle Menschen gilt, dass er wahnsinnig eingebildet ist. Als ich Standing Ovations für meinen Vortrag von D. Jones’ »Boast of Dai« aus In Parenthesis bekam, schlich sich auf sein verschlossenes Gesicht ein scheußliches Grinsen voller Staunen, Bosheit und Neid. Hinterher fragte er mich: »Wie schaffen Sie es, woher haben Sie, wo haben Sie diesen Cockney-Akzent gelernt?« In dem gesamten Gedicht, das aus ungefähr 300 Zeilen besteht, kommen nur fünf in Cockney vor. Er ist kein angenehmer Typ, aber unter allen Dichtern, die ich je getroffen habe, gab’s nur einen einzigen – und das war Archie Mac-Leish. Dylan hat sich nie wohl gefühlt, wenn er nicht wenigstens angetrunken oder ›mehr‹ war. MacNeice war kein Dichter mehr, als ich ihn kennengelernt habe, und er war ständig betrunken. Eliot war vom Gedanken an Rache zerfressen. Die einzig angenehmen Dichter, die ich je getroffen habe, waren schlechte Dichter, aber ein schlechter Dichter ist überhaupt kein Dichter – ergo hab ich noch nie einen angenehmen Dichter getroffen. Wahrscheinlich trifft das auch auf MacLeish zu. R. S. Thomas ist beispielsweise ein eher zweitklassiger Dichter, aber ich mach mich lieber mit einem Wesensverwandten auf den Weg in die geistige Welt. Ich fürchte, das letzte Mal hat er sich im Alter von sechs Jahren ein Lächeln abgequält, als ihm zuseiner Freude klar wurde, dass wir alle sterben müssen. Er hat seine Frau schon seit Langem der Hölle ausgeliefert. Sie wird’s wiedererkennen, wenn sie dort landet.
    So ging’s bis Sonntagabend, bis zur Premiere von Faustus . Wie immer in diesem wunderbaren Klima, goss es wie aus Eimern, vor dem Kino standen Massen von Menschen in Regenmänteln oder mit Schirmen und haben applaudiert etc. Eine Krankenschwester – die ganze Sache war eine Charity-Vorstellung für das Nuffield Krankenhaus, deshalb die Krankenschwester – übergab E. einen Blumenstrauß und hat vor ihr geknickst. E. und ich haben vor Freude gestrahlt. Ich stieß auf Quintin Hogg, und weil ich dachte, er sei Boothby, habe ich ihn gefragt: »Wo ist denn Ihre sardische Frau?« 195 Er antwortete, dass er nicht Boothby sei. Ich hab schnell geschaltet und gesagt, dass ich ihn nur auf den Arm nehmen wollte, und habe ihn gefragt: »Warum sind Sie eigentlich nicht Parteichef der Konservativen?« Er: »Die haben 1963 ihre Chance bekommen und vorbeiziehen lassen. Jetzt, mit 59, bin ich zu alt.« Ich: »Winston ist erst mit 65 oder 66 PM geworden.« Er: »Hmm.«
    Der Herzog und die Herzogin von Kent trafen ein und wurden allen vorgestellt. Die Herzogin ist bezaubernd. E. und ich waren total hingerissen von ihr. Sie war unglaublich nervös, wie wir alle, aber bei ihr konnte man es ganz deutlich von Nahem beobachten. Die Muskeln um ihren Mund zuckten völlig unkontrolliert. Er war sehr schüchtern. Die Show lief dann gut.
    Die Premierenparty lief auch gut, aber sie war unglaublich anstrengend – wir mussten ungefähr 1000 Menschen begrüßen. Als wir ins Kino hereinkamen, ging sofort eine Trompetenfanfare los, dann herrschte Stille, als wir uns hinsetzten, und dann gab es wieder eine Fanfare, für den H. und die Herz. von Kent. Mir ist das aufgefallen, weil es viel über die idiotischen Begleiterscheinungen des Ruhms sagt. Vor fünf Jahren hätte man uns mit einer Fanfare aus faulem Obst übergossen. Wenn wir Glück gehabt hätten.
    […] Ken Tynan kam aus London, um mit mir über das
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