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Die Sündenheilerin (German Edition)

Die Sündenheilerin (German Edition)

Titel: Die Sündenheilerin (German Edition)
Autoren: Melanie Metzenthin
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Überquerung der Alpen kaum geeignet gewesen. Habt Ihr jemals ein arabisches Vollblut gesehen?«
    Leopold schüttelte den Kopf. »Nur davon gehört.«
    »Sie sind wundervoll«, bestätigte Said. »Man könnte sie besingen. Wer auf ihrem Rücken sitzt, glaubt, die Flügel der Engel trügen einen geradewegs ins Paradies.«
    »Ein sehr poetischer Vergleich.« Gedankenverloren betrachtete Leopold seinen Weinpokal aus feinstem Silber, ganz so, als könne er die edlen Tiere in den feinen Ziselierungen erkennen. Philip nutzte die Gelegenheit, das Gespräch in eine andere Richtung zu lenken.
    »Hartwig vom Thal berichtete, dies sei schon der dritte Überfall gewesen. Wie kommt es, dass eine Räuberbande sich auf Eisenerzfuhren stürzt?«, fragte er.
    Der Fürst musterte Philip aufmerksam. »Ihr meint, weil ihnen die Wege zur Verhüttung fehlen?«
    Philip nickte.
    »So einfach ist das nicht«, antwortete Leopold. »Die Erzlieferungen kommen zum Teil von weit her, um gemeinsam verhüttet zu werden. Die Zeiten, da jede Mine eine eigene Eisenschmelze betrieb, sind längst vorbei. Vieles läuft über Zwischenhändler und Mittelsmänner. Manche kennt man seit Jahren, andere wechseln regelmäßig.«
    »Und wenn sie im Auftrag von irgendwem handeln?«, beharrte Philip. »Es ist doch seltsam, dass diese Überfälle erst kürzlich begannen.«
    »Die Überfälle selbst plagen uns schon lange. Und es geht nicht nur ums Erz, das ist nur die neueste Spielart. Vielleicht weil sich kaum noch Reisende durch die Wälder wagen und Händler oft große Umwege in Kauf nehmen, um Barbarossa nicht zu begegnen.«
    »Barbarossa?« Bei der Nennung des berühmten Kaisers horchte Philip auf. Doch der war vierzig Jahre zuvor im Saleph ertrunken.
    Leopold belächelte Philips Erstaunen. »Unser Barbarossa ist ein wahrer Teufel. Niemand weiß, woher er kommt, manche halten ihn für den Satan persönlich. Sein Bart ist so rot wie das Blut derer, die er erschlug. Seit mehr als fünf Jahren machen er und seine Bande die Wälder unsicher. Kein Verbrechen ist ihnen zu abscheulich, Mitleid kennen sie nicht. Vor gut einem Jahr hat seine Bande einen kompletten Hochzeitszug niedergemetzelt, das war nahe Quedlinburg. Sie haben nicht einmal die Kinder verschont, obwohl ihre Beute nur aus ein paar Pferden und blutigen Gewändern bestand.« Leopolds Hände ballten sich zu Fäusten, bis die Fingerknöchel weiß hervortraten. »Zwei Monate später traf es eine Gruppe von Händlern. Man fand nur noch ihre nackten Leichen, so grauenvoll entstellt, dass sie kaum noch zu erkennen waren. Kurz darauf fiel den Räubern die erste Eisenerzfuhre in die Hände.«
    Für einen Moment herrschte Schweigen. Said senkte betreten den Blick. Philip atmete tief durch. Vor seinem inneren Auge sah er wieder die rothaarige Reiterin.
    »Die Räuber, die ich sah, wurden von einer Frau angeführt.«
    Er berichtete, was er gesehen hatte.
    »Eine Frau in Männerkleidung?« Die Überraschung des Fürsten war echt. Philip nickte. »Ihr habt noch nie von ihr gehört?«
    »Ich habe schon einiges gehört, selbst von Geistern, die in den Wäldern und Felsenhöhlen ihr Unwesen treiben und Sterbliche zum Tanze auffordern, aber noch nie von einer rothaarigen Räuberbraut.«
    »In zwei Wochen ist Walpurgisnacht.« Ein Lächeln umspielte Philips Züge. »Vielleicht sehen wir sie dann ja tanzen, die rote Sünde.«
    Said verdrehte nur die Augen.
    Zur Gastlichkeit des Fürsten gehörte auch ein Nachtquartier.
    »So gut sind wir lange nicht untergekommen. Was will man mehr als ein gutes Mahl und eine warme Stube?« Said streckte sich wohlig rekelnd auf seiner Bettstatt aus. »Willst du den Fensterladen nicht bald schließen? Die Kälte kriecht mir schon in die Glieder.«
    Philip antwortete nicht. Er blickte aus dem Fenster des Turmzimmers. Kühle Nachtluft streichelte ihm über das Gesicht wie die zarten Finger einer Frau. Der Duft der Wälder mischte sich mit dem Geruch der Stallungen und Feuerstellen im Hof. Sein Blick schweifte über die Mauern der Burg hinweg, über die bewaldete Ebene bis hin zum Brocken, dem höchsten Berg der Gegend.
    Im fahlen Licht des Mondes konnte er nicht viel erkennen, doch plötzlich war ihm, als würde im Wald der Schein eines Feuers aufleuchten. Ein Feuer, so lodernd wie das Haar der Räuberbraut. Warum verfolgte sie ihn nur bis in seine tiefsten Gedanken? War es sein alter Jagdinstinkt, der so lange verloren schien? Ein schwerer Atemzug entrang sich seiner Brust. An Leopolds Tafel
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