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Die Suche nach dem Wind

Die Suche nach dem Wind

Titel: Die Suche nach dem Wind
Autoren: Liane Sons
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stattdessen ernst: »Kein Name gibt irgendwem das Recht, sich über irgendetwas hinwegzusetzen.«
    »Warum tun Sie dann so? Sie treten Traditionen und Rhan-Regeln mit Füßen und werden dadurch Ihrer Verantwortung den Jugendlichen gegenüber nicht gerecht. Sie sollten ihnen durch Disziplin und würdevolles Auftreten ein Vorbild sein, aber Sie kennen augenscheinlich weder das eine noch das andere«, erwiderte sie heftig.
    Eben hatte er sich vorgenommen, freundlich zu sein und Entgegenkommen zu demonstrieren. Diese Gedanken waren wie weggeblasen. Sein Ärger war ihm jedoch weder anzusehen noch anzuhören, als er fragte: »Sagen Sie, Frau offizielle Assistentin, was hält Sie hier? Sie haben Ihr Urteil über mich doch bereits im Koffer mit hergebracht. Warum wollen Sie unsere Zeit verschwenden und nehmen nicht stattdessen Ihren Koffer und Ihr Urteil, gehen zurück nach Rhandana und berichten dem Rat über meine Unzulänglichkeiten?«
    Ihre Augen funkelten und sie erwiderte mit zornbebender Stimme: »Weil ich meine Aufgabe im Gegensatz zu Ihnen ernst nehme. Ich bin nämlich nicht mit dem großen Namen van Rhyn zur Welt gekommen und muss etwas leisten für meine Karriere. Haben sie auch nur die geringste Vorstellung von Arbeit, Pflichtgefühl und Verantwortung? Können sie zumindest erahnen, wie es sein könnte, wenn einem nicht alles in den Schoß gelegt wird?« Nahezu hasserfüllt starrte sie den Ringlord an.
    Der erwiderte ihren Blick mit unergründlicher Miene, schüttelte den Kopf, wandte sich ab und ging zum Haus.

3. Kapitel
    Dass der Rhanlord ihn zum überfälligen Jahresbericht einbestellt hatte, kam Aeneas diesmal nicht einmal besonders ungelegen, da er ohnehin nach Rhanmarú wollte. Ärgerlich war nur, dass er bei seinem Vorgesetzten Zeit vertrödeln würde und dass er der Etikette wegen einen Adjutanten mitnehmen musste. Er hatte sechs, aber drei von ihnen waren gerade im Skiurlaub. Ziemlich überrascht war er gewesen, als Lennart sich sofort angeboten hatte, ihn zu begleiten. Eigentlich hatte er den nur gefragt, um ihn nicht zu übergehen und mit einer Ablehnung gerechnet. Doch der hatte erklärt, Santorino von Familienurlauben gut zu kennen, den Rhanlord jedoch noch nie persönlich getroffen zu haben.

    Nur ein paar Stunden später löste er wahre Begeisterungsstürme bei seinem Freund aus mit der Ankündigung, sie würden zunächst die Mutter Oberin aufsuchen, um eventuell etwas über den Aufenthaltsort von Eriks Vater zu erfahren.
    Sie hatten Aeneas’ Residenz auf Rhanmarú verlassen und legten die kurze Wegstrecke zum Weißen Turm zu Fuß zurück. Blumenwiesen, in denen bunte Laufvögel herumstolzierten, lagen zur Rechten und zur Linken. Nahezu lautlos schwebten Gleiter über sie hinweg. Auf Rhanmarú verstand man es perfekt, modernste Technik mit den Schönheiten der Natur oder mit Tradition zu verbinden. Seit kurzem war es Mode, sich in Kutschen, die von möglichst exotischen Tieren gezogen wurden, zu Partys bringen zu lassen.
    Lennart schüttelte den Kopf. Rhan waren in der Tat eigenwillig. Modernste Technik wurde immer wieder von der Nostalgie überholt. Er lenkte seine Gedanken zum Grund ihres Besuches und erklärte: »Hoffentlich kommen wir nicht zu spät zur Audienz beim Rhanlord.«
    Aeneas zuckte die Achseln. »Und wenn schon!«
    »Oh, Kumpel, du machst es dir gern schwer, oder? Schon mal etwas von Diplomatie gehört?« Lennart schüttelte grinsend den Kopf.
    »Ich halte Eriks Problem für wesentlich wichtiger.«
    »Und du glaubst, die Mutter Oberin kann dir helfen?«
    »Das ist ja das Blöde«, murmelte der Ringlord. »In Anbetracht der Umstände ist sie die Einzige, die ich fragen kann, ohne gleich vorm Tribunal zu landen.«
    »Na, das ist doch prima! Ich kenne die Ehrwürdige Mutter ja auch noch nicht. Vater sagt, sie ist unglaublich.«
    »Treffend ausgedrückt«, erwiderte Aeneas matt.
    Lennart fiel auf, dass sein Begleiter immer langsamer und wortkarger wurde, je näher sie dem gewaltigen Turm der Oberin kamen, und fragte verwundert: »Ist was?«
    »Nein!«
    Der Adjutant sah sich um. Die Erbauer des Turms hätten kaum eine idyllischere Umgebung wählen können. Dunkelrote Wälder, kristallklare Seen und schwarze Berge, aus denen eine Unmenge von tosenden Wasserfällen herunterstürzte, gaben den passenden Rahmen für den gewaltigen, schneeweißen Turm, der im Sonnenlicht wie Kristallzucker glänzte.
    »Bist du hier aufgewachsen?«, fragte er beeindruckt.
    »Ja!«
    Lennart grinste und sah
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