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Die Stunde des Verfuehrers

Die Stunde des Verfuehrers

Titel: Die Stunde des Verfuehrers
Autoren: ABBY GREEN
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fällt dieses Abendessen in die Kategorie Arbeit.“
    Sie gab keine Antwort.
    „Ich mache das an Ihrem Beharren fest, mich in meinem Hotel zu treffen. An Ihrer Weigerung, sich zu Hause abholen zu lassen. An der Tatsache, dass Sie noch dieselben Kleider wie bei dem Interview heute morgen tragen.“
    Die Art und Weise seiner Aufzählung, die nicht nur von guter Beobachtung zeugte, sondern auch von der Fähigkeit, die richtigen Schlüsse zu ziehen, ließ sie sich sehr verletzlich fühlen. „Ich hatte keine Zeit, mich umzuziehen. Und Ja, ich halte das hier für Arbeit.“ Sie beugte sich ein wenig vor. „Es gab eine Zeit in meinem Leben, in der ich im Zentrum des öffentlichen Interesses stand. Ich habe mir geschworen, es nie wieder so weit kommen zu lassen. Mit Ihnen hier zu sein, mit Ihnen gesehen zu werden, könnte mich in eine heikle Lage bringen. Ich möchte nicht, dass man denkt, wir hätten ein romantisches Date.“
    „Mit wem verabreden Sie sich dann, Alana?“
    „Mit niemandem.“
    „Aber Sie waren mit Ryan O’Connor verheiratet.“
    „Zweifellos mussten Sie nicht tief graben, um das herauszufinden.“
    „Nicht tiefer, als Sie in meinem Leben.“
    „Das waren ganz normale Vorbereitungen für ein professionelles Interview.“
    „Muss ich Sie daran erinnern, dass Ihre Fragen dennoch nicht dem abgesprochenen Skript gefolgt sind?“
    Das Blut schoss ihr in die Wangen. „Ihnen muss doch klar sein, dass Sie, wenn Sie sich der Presse öffnen, das Risiko eingehen, genau diese Fragen gestellt zu bekommen.“
    Pascal nickte einmal, doch der eisige Ausdruck in seinen Augen blieb. „Natürlich. So naiv bin ich nicht. Aber von Ihnen hatte ich das nicht erwartet.“
    Schuldgefühle überfielen sie. Er hatte nämlich recht. Bei jedem anderen Menschen, der ihr gefühlsmäßig nicht so zusetzte, hätte sie niemals unabgesprochene Fragen gestellt. Einzig ihre Reaktion auf ihn hatte sie veranlasst, ihn zu irgendeiner Antwort zu provozieren, die sein Interesse an ihr abkühlen lassen würde. Sie fragte sich, an welcher Oberfläche sie eigentlich mit ihren Fragen gekratzt hatte.
    Gerade als sie antworten wollte, trat eine Kellnerin an ihren Tisch und nahm ihre Bestellungen auf. Sobald sie wieder alleine waren, beugte auch Pascal sich vor. „Sie können sich einreden, dass Sie wegen der Arbeit hier sind, Alana, aber ich finde Arbeit als Gesprächsthema ungemein langweilig. Viel lieber würde ich mich über andere Dinge unterhalten.“
    „Und die wären?“
    „Zum Beispiel wohin Sie gestern Abend so dringend verschwinden mussten, wenn Sie doch keine Verabredungen haben.“
    Alles in Alana versteifte sich, doch dann geschah etwas Seltsames. Gegen ihren Willen schmolz der Widerstand in ihrem Innern. Also erzählte sie ihm von dem vierzigsten Geburtstag ihres Bruders. Und das führte dazu, dass sie auch von ihren anderen sechs Geschwistern berichtete. Und von ihren Eltern.
    „Und alle sind glücklich verheiratet und haben Kinder?“
    Unwillkürlich musste sie lächeln, als sie Pascals entsetzten Gesichtsausdruck sah. Sie wusste, wie schwer es den meisten Menschen fiel, die Größe irischer Familien als normal zu begreifen. Sie nickte trotz der Schuldgefühle, die sich mal wieder in ihr ausbreiteten. Sie war die Anomalie in ihrer Familie. „Alles in allem habe ich fünfzehn Nichten und Neffen. Und meine Eltern sind in der Tat seit über fünfzig Jahren glücklich verheiratet.“
    Ungläubig schüttelte er den Kopf. „Das wievielte Kind sind Sie?“
    „Ich bin das Nesthäkchen. Mein jüngster Bruder ist zehn Jahre älter als ich. Deshalb habe ich mich trotz meiner vielen Geschwister immer wie ein Einzelkind gefühlt. Solange ich zurückdenken kann, gab es fast immer nur meine Eltern und mich, weil die anderen schon aus dem Haus waren.“
    Der Gedanke an Vater und Mutter ließ sie verstummen. Ihre Eltern waren nicht mehr die Jüngsten. Vergangenes Jahr hatte ihr Vater sich einer dreifachen Bypassoperation unterziehen müssen. Ihre älteren Geschwister waren mit ihren eigenen Familien beschäftigt, sodass vor allem sie sich um ihre Eltern gekümmert hatte. Nicht, dass ihr das etwas ausmachte. Doch sie spürte immer deutlicher, dass ihre Eltern sich um sie sorgten und dass sie nichts lieber wollten, als dass auch sie endlich den Partner fürs Leben fand. Vor allem nach Ryans Tod.
    Alana trank einen Schluck Kaffee und wich Pascals eindringlichem Blick aus. Es schien, als könne er ihre Gedanken lesen. Sie hoffte, der Kaffee
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