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Die Stunde des Schakals (German Edition)

Die Stunde des Schakals (German Edition)

Titel: Die Stunde des Schakals (German Edition)
Autoren: Bernhard Jaumann
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sind.»
    «Robinson?» Was machte der denn bei Angula?
    Einen Moment herrschte Stille. Dann sagte Robinson: «Du weißt es noch gar nicht?»
    «Was?»
    «Eine Nachbarin hat angerufen. Irgendetwas sei da nicht in Ordnung. Die Streife hat uns verständigt, und wir sind hineingegangen.»
    «Was ist mit Angula?»
    «Tot», sagte Robinson. «Blutvergiftung. Anscheinend von der Bisswunde. Der Arzt ist noch da, der kann dir das besser erklären. Willst du ihn sprechen?»
    «Nein», sagte Clemencia. Sie schloss die Augen, sah die gelben Pupillen des Bullterriers vor sich. Als deren Blick brach, umschlossen die Kiefer immer noch Angulas Hand.
    «Man hätte Angula retten können, wenn er sich rechtzeitig hätte behandeln lassen. Dass er nicht bemerkt hat, was los war, sei ausgeschlossen, sagt der Arzt. Angula muss starke Schmerzen gehabt haben. Der ganze Arm war verfärbt und dick angeschwollen.»
    Clemencia dachte an die nächtlichen Telefonate, die sie mit Angula geführt hatte. Wie es ihm gehe, hatte sie gefragt. Gut, hatte er geantwortet, es wird schon, alles bestens. Sie hatte gewusst, dass er nicht die Wahrheit sagte. Sie hatte so getan, als glaube sie ihm, weil sie keine Lust gehabt hatte, sich seine Probleme aufzuhalsen. Sie hatte gemeint, genug eigene zu haben.
    «Warum, zum Teufel, ist er nicht ins Krankenhaus gegangen?», fragte Robinson.
    Nach der Befreiung Oshivelos hatte Angula eingestanden, dass er sich krank fühlte. Das hatte Clemencia für einen Vorwand gehalten. Sie hatte gedacht, er lasse sie im Stich und wolle nach Hause, um sich seiner fixen Idee von der SWAPO-Verschwörung zu widmen. Wahrscheinlich hatte er das auch getan. Nur schloss das keineswegs aus, dass es ihm wirklich schlechtgegangen war. Clemencia hätte das erkennen müssen.
    «Bist du noch dran?», fragte Robinson.
    «Ja», sagte Clemencia.
    «Er liegt jetzt auf seinem Bett», sagte Robinson. «Ich bleibe hier, bis der verdammte Leichenwagen endlich eintrifft.»
    «Ja», sagte Clemencia.
    «Also dann …», sagte Robinson.
    «Wo habt ihr ihn gefunden?», fragte Clemencia.
    «Er saß am Tisch, halb über der Platte. Es sah aus, als wäre er eingeschlafen.»
    «Nimm seine Aufzeichnungen mit!», sagte Clemencia. Sie würde sie durchgehen. Unvoreingenommen. Wenn es sich nur um haltlose Unterstellungen handelte, würde sie alles vernichten. Aber vorher werde ich es lesen, dachte sie, das verspreche ich dir, Angula!
    «Welche Aufzeichnungen?», fragte Robinson.
    «Da müssen Hefte liegen oder lose Blätter, was weiß ich? Ein ganzer Haufen beschriebenes Papier!»
    «Da ist nichts», sagte Robinson.
    «Unmöglich», sagte Clemencia. Als sie andeutete, dass vielleicht schon jemand aufgeräumt habe, reagierte Robinson empört. Er wisse, dass sie ihn nicht ausstehen könne, aber das lasse er sich nicht anhängen. Sie seien zu viert hineingegangen, Tjikundu, er, zwei Uniformierte. Keiner hätte unbemerkt etwas verschwinden lassen können, und wieso hätten sie das auch tun sollen? Es fehlte gerade noch, dass Clemencia behauptete, sie hätten Angula umgebracht! Und dann den Arzt bestochen, damit der eine falsche Todesursache bestätige. Und jetzt müssten sie halt hoffen, dass den Bestattern der eingeschlagene Schädel nicht auffiele, oder wie?
    «Ist ja gut, Robinson», sagte Clemencia und legte auf. Sie wusste nicht mehr, was sie denken sollte. Angulas Aufzeichnungen hatte sie nie gesehen. Vielleicht gab es sie wirklich nicht. Vielleicht hatte er ihr in dieser Hinsicht ebenso etwas vorgemacht wie über seinen Gesundheitszustand. Und sie hatte ihm glauben wollen, damit sie sich nicht fragen musste, womit er sich tatsächlich in seinen schlaflosen Nächten abquälte. Was wusste sie schon von Angula? Außer dass er jetzt tot war.
    Irgendwie entglitt Clemencia gerade alles. Was sie für Gewissheiten gehalten hatte, löste sich auf. Von Menschen blieben nur Schatten, von den Erinnerungen an sie nur das Gefühl, die wichtigsten Dinge nie gesagt, die entscheidenden Fragen nie gestellt zu haben. Sie hätte sich nicht gewundert, wenn vor dem Fenster Nebel gewallt hätte, oben und unten, links und rechts, ein dicker grauer Nebel, in dem jedes Wort von der Straße wie ein halberstickter Schrei klänge. Doch dem war nicht so. Draußen schien die Sonne aus einem strahlend blauen Himmel. Die Luft war glasklar, die Hitze lange nicht mehr so drückend wie vor dem ersten Gewitter. Man hätte fast meinen können, dass es ein schöner Tag wäre.
    Clemencia schloss das
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