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Die Stunde Der Vampire

Die Stunde Der Vampire

Titel: Die Stunde Der Vampire
Autoren: Carrie Vaughn
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schwerer zu finden. Für das Radiopublikum
machte es keinen Unterschied. Diese Woche sendete ich aus Flagstaff.
    Ich lehnte im Rahmen der Tür, die in den Regieraum führte, und schenkte Jim zum Dank ein Lächeln. Wie so viele Leute, die zur Nachtschicht hinter dem Mischpult verdonnert wurden, war er unglaublich jung, College-Alter, vielleicht sogar ein Praktikant oder höchstens ein Assistent oder Ähnliches. Er schwitzte. Wahrscheinlich hatte er nicht damit gerechnet, derart viele Anrufe bei einer mitternächtlichen Talkshow bewältigen zu müssen.
    Die meisten meiner Zuhörer blieben lange auf.
    Er reichte mir einen Telefonhörer. Ich sagte in die Sprechmuschel: »Hi Matt.«
    Matt hatte für die Sendung am Mischpult gestanden, als ich noch in Denver war. Jetzt unterwies er das jeweilige Team, das sich vor Ort befand. Ohne ihn könnte ich das hier nicht tun.
    Â»Hey Kitty! Das wäre dann wohl geschafft.«
    Â»War es gut?«
    Â»Hat toll geklungen.«
    Â»Das sagst du jedes Mal«, meinte ich mit einem leisen Winseln.
    Â»Was soll ich sagen? Du bist eben immer gut.«
    Â»Danke. Glaube ich jedenfalls.«
    Â»Morgen ist Vollmond, stimmt’s? Alles klar bei dir?«
    Es war nett, dass er daran gedacht hatte, sogar noch netter, dass er sich Sorgen um mich machte, aber ich sprach nicht gerne darüber. Er war ein Außenstehender. »Ja, sicher, ich habe einen guten Ort gefunden.«
    Â»Pass auf dich auf, Kitty.«

    Â»Danke.«
    Ich brachte meine Arbeit im Sender zu Ende und kehrte in mein Hotelzimmer zurück, um den Rest der Nacht zu schlafen. Nachdem ich das BITTE-NICHT-STÖREN-Schild an die Tür gehängt hatte, sperrte ich ab. Natürlich konnte ich nicht schlafen. Seitdem ich die Sendung moderierte, war ich zu einer Nachtschwärmerin geworden. Ich hatte mich daran gewöhnt, erst im Morgengrauen einzuschlafen und dann gegen Mittag aufzuwachen. Das war sogar noch leichter, seit ich nun alleine war. Niemand kontrollierte mich, niemand war mit mir zum Mittagessen verabredet. Da waren nur ich, die Straße, einmal die Woche die Sendung. Einmal im Monat ein abgelegener Wald. Ein einsames Leben.
    Der nächste Abend war bereits verplant. Vollmondnächte waren das immer.
    Vor zwei Tagen war ich auf den Ort gestoßen: ein abseits gelegener Wandererparkplatz am Ende einer unbefestigten Straße im Innern eines State Parks. Den Wagen konnte ich in einer abgeschiedenen Ecke hinter einem Baum abstellen. Echte Wölfe kamen nicht so weit in den Süden, also musste ich mir nur um etwaige ortsansässige Werwölfe Sorgen machen, die vielleicht dieses Revier markiert hatten. Ich verbrachte einen Nachmittag damit herumzuspazieren, Ausschau zu halten, zu wittern. Auf diese Weise gab ich den Einheimischen Gelegenheit, mich zu sehen, ließ sie wissen, dass ich hier war. Ich nahm nichts Unerwartetes wahr, bloß die normalen Waldgerüche nach Wild, Fuchs, Hasen. Ein gutes Jagdgebiet. Es schien, als würde ich es ganz alleine für mich haben.

    Zwei Stunden vor Mitternacht stellte ich den Wagen am anderen Ende des Parkplatzes ab, wo man ihn von der Straße aus nicht sehen konnte. Ich wollte keinerlei Hinweise darauf geben, dass ich mich irgendwo da draußen befand. Auf keinen Fall sollte mir jemand, insbesondere die Polizei, hinterherschnüffeln. Ich wollte nicht, dass sich jemand im Umkreis von ein paar Meilen aufhielt, den ich verletzen könnte.
    Ich hatte das hier schon einmal getan. Es war die zweite Vollmondnacht, die ich alleine, als Streunerin, verbrachte. Das erste Mal war ereignislos verlaufen, abgesehen davon, dass ich Stunden vor der Morgendämmerung, Stunden, bevor ich fertig war, aufgewacht war. Ich hatte vor Kälte gezittert und geweint, weil ich mich nicht daran erinnern konnte, wie ich nackt tief in den Wald geraten war. Das passierte nie, wenn ich andere Werwölfe um mich hatte, die es mir ins Gedächtnis riefen.
    Mein Magen fühlte sich wie ein Eisklumpen an. Dies würde nie leichter werden. Früher hatte ich mein eigenes Rudel gehabt. Ich war von Freunden umgeben gewesen, Menschen, bei denen ich darauf vertrauen konnte, dass sie mich beschützten. Ein Wolf war nicht dafür geschaffen, alleine umherzustreifen.
    Du wirst schon zurechtkommen. Du kannst alleine auf dich aufpassen.
    Ich saß im Auto, hatte das Lenkrad umklammert und schloss krampfhaft die Augen, um nicht weinen zu müssen. Da war eine
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