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Die Stunde Der Jaeger

Die Stunde Der Jaeger

Titel: Die Stunde Der Jaeger
Autoren: Carrie Vaughn
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reichte das alles nicht, um Cormac zu helfen.

    Die Tür ging auf, und der junge Staatsanwalt kam hereingestürmt, wie ein General im Krieg.
    Â»Mr O’Farrell, tut mir leid, dass Sie warten mussten.« Er warf mir einen forschenden Blick zu.
    Ben hatte alles im Griff. »Kein Problem. Das ist Kitty Norville. Sie hilft mir bei dem Fall.«
    Espinoza nickte, und sein Lächeln sah mehr wie ein Grinsen aus. »Die berüchtigte unverletzte Kitty Norville.«
    Â»Ich heile schnell.«
    Â»Richtig schnell, wie es den Anschein hat.«
    Â»Genau.«
    Â»Zu dumm für Mr Bennett. Wenn Sie im Krankenhaus gelandet wären, läge sein Fall vielleicht anders.«
    Etwas Gemeineres, Schrofferes, Arroganteres, Beschisseneres war ihm wohl nicht eingefallen …
    Â»Solches Gerede ist nicht wirklich angemessen«, sagte Ben, ein Ausbund an gelassener Professionalität.
    Â»Selbstverständlich. Verzeihung, Ms Norville.«
    Mein Lächeln fühlte sich hölzern an. »Wenn es Ihnen nichts ausmacht, würde ich gerne hiermit anfangen.« Ben reichte Espinoza ein Schriftstück.
    Ben erläuterte seinen Bericht, eine formelle, juristisch argumentierende Wiedergabe von allem, was wir in Shiprock gefunden hatten. Irgendwie hatte er es geschafft, zwischen dann und jetzt, zwischen seiner jähen Verwandlung und unserer Nacht in der Wüste und der Rückfahrt, unsere Abenteuer so zu formulieren, dass sie trocken, glaubhaft und sogar logisch klangen. Er erklärte, laut Angaben der örtlichen Polizei habe Miriam in dem Ruf gestanden, gewalttätig zu sein, dass ihre jüngere
Schwester Louise überzeugt sei, Miriam habe ihre ältere Schwester Joan umgebracht, dass wir von ihrem Großvater Lawrence bedroht worden seien – kurz, dass die Familiengeschichte und Miriams Charakter nahelegten, dass sie zu mörderischen Gewaltausbrüchen neigte und es völlig einsichtig war, davon auszugehen, dass ihr Vorgehen hier – gegen mich und die anderen, die der Begegnung beigewohnt hatten – gewalttätig motiviert gewesen seien. Dass Cormac keine andere Wahl gehabt habe, als sie aufzuhalten.
    Espinoza schien sich das alles durch den Kopf gehen zu lassen. Er betrachtete den Bericht, tippte sich mit dem Finger ans Kinn und nickte ernst. Dann sagte er: »Und was ist mit dem Umstand, dass sie nur mit ihren bloßen Händen bewaffnet gewesen ist? Kann eine nackte Frau in einem Wolfspelz tatsächlich derart bedrohlich gewesen sein?«
    An dieser Stelle fiel Bens Szenario in sich zusammen. Wir hatten keine Möglichkeit zu beweisen, dass sie eben nicht nur eine Frau in einem Wolfspelz gewesen war.
    Ben meinte: »Ihnen liegen vier unterschriebene Aussagen von Zeugen vor, die schwören, dass sie jemanden umgebracht hätte. Zwei weitere Aussagen aus Shiprock. Alle erklären, dass sie mehr als nur eine verkleidete Frau gewesen ist.«
    Â»Vier Menschen bei Nacht, deren Wahrnehmung durch Angst und Dunkelheit getrübt gewesen ist, sodass ihre Zeugenaussagen als unzuverlässig eingestuft werden müssen.«
    Sie überprüften einander, stellte ich fest. Probierten die
Argumente aus, die sie vor Gericht würden einsetzen müssen. Dies war ein Probelauf, um zu sehen, ob beide wirklich eine Chance hatten, den anderen zu schlagen.
    Espinoza klopfte auf die Seiten des Berichts. »Sie haben Hörensagen. Sie haben nichts.«
    Â»Ich habe genug, um vor einer Jury berechtigte Zweifel zu wecken. Sie werden niemals einen Schuldspruch wegen vorsätzlichen Mordes kriegen.«
    Â»Nichts hiervon ist eidlich bestätigt. Ich werde alles für ungültig erklären lassen. Wie schon gesagt: Sie haben nichts, und ich kriege den Schuldspruch. Die unverhältnismäßige Gewalt, die Ihr Mandant angewandt hat, beraubt ihn jeglichen Schutzes durch das Gesetz, den er ansonsten vielleicht genossen hätte.«
    Ben drehte sich weg und verschränkte die Arme. Er hatte genug argumentiert. Ich wartete auf ein Knurren, ein Fauchen, einen Hinweis, dass der Wolf aus ihm herausbrach. Er hatte die Schultern ein wenig hochgezogen, wie gesträubte Rückenhaare. Das war’s dann.
    Â»Mr O’Farrell, auch wenn es unmaßgeblich ist, ich glaube Ihnen.« Espinozas Tonfall nahm einen mitfühlenden Klang an. Ich wurde das Gefühl nicht los, dass es sich um falsches Mitleid handelte – er bereitete sich auf das Verhandeln vor, stimmte Ben milde. »Ich
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