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Die Strafe - The Memory Collector

Titel: Die Strafe - The Memory Collector
Autoren: Meg Gardiner
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wendete es, spie weiß schäumendes Kielwasser und fuhr wieder flussaufwärts.
    Lesniak trieb erschöpft in der starken Strömung und spürte einen Kloß in der Kehle. Der Kerl hatte es aufgegeben. Gott sei Dank.
    Von wegen Gott sei Dank.
    Rusty hatte die Flasche. Er hatte das Zeug. Slick.
    Langsam, mit röhrendem Motor, entfernte sich das Boot. Deswegen hatte es den riesigen Chevy-Motor. Es brauchte jede einzelne Pferdestärke, um sich gegen die Strömung zu stemmen. Selbst das Dröhnen der Maschine drang nur noch schwach durch das immer lautere Rauschen der Wassermassen.
    Plötzlich pumpte sein Herz auf Hochtouren, und er wirbelte herum. Er trieb mitten im Fluss und jagte mit hoher Geschwindigkeit um eine breite Biegung. Hinein in die Abenddämmerung, die Inseln weit hinten, die Ufer zu beiden Seiten nur noch undeutliche schmale Streifen.
    Eine Welle spülte ihn hoch wie einen Surfer, und sein Blick richtete sich nach vorn. Sein Mund klaffte auf.
    Wie eine Fliege schwebte er auf sechshundert Millionen Litern Wasser, die in die Tiefe tosten. Er warf sich herum und schwamm flussaufwärts. Mund und Augen weit offen, die Lunge zum Zerreißen gespannt. Die Füße schwer in den Schuhen, die Arme schwach, kämpfte er sich verzweifelt
durch die Fluten. Hinter sich das ohrenbetäubende Brausen. Er sah das Ufer, flach, grün und unendlich weit weg. Er sah den roten Schimmer der Sonne auf dem schiefergrauen Wasser. Er sah den Nebel, der über ihm waberte. Mosi-oa-Tunya nannten sie die Victoriafälle: der donnernde Rauch. Er spürte, wie er nach hinten gezerrt wurde, als der mächtige Sambesi zum Kopfsprung ansetzte, zu einer eineinhalb Kilometer breiten Schussfahrt, ein blauer Drache, der von den Klippen abhob und tief hinab in die Schlucht sprang. Er klammerte sich ans Wasser, um nicht unterzugehen, um zu verharren und nicht einhundert Meter tief auf die Felsen zu stürzen. Doch obwohl er brüllend zu den Flussgöttern rief, konnte ihn niemand mehr aufhalten, als er seinen langen Sturz begann.

KAPITEL 3
    Jo Beckett streckte die Arme seitlich weg und spreizte die Beine. Die Leute machten einen Bogen um sie und starrten sie kurz an, ehe sie weiterhasteten. Drei Meter weiter vorn stand mit verschränkten Armen ein Cop. Sein Funkgerät knisterte. Hinter sich hörte sie das Ratschen von Latex.
    »Keine Sorge, die Handschuhe sind sauber«, sagte die Frau. »Etwas breitbeiniger.«
    Wortlos folgte Jo der Anweisung. Mit spinnenhaften Fingern strich die Frau über die Innenseite von Jos Schenkeln.
    Der Cop verlagerte das Gewicht. »Kommen Sie, es ist ein Notfall.«
    Hände fuhren über Jos Rippen, den Rücken hinab und über ihren Hintern.
    Sie zwang sich, nicht zusammenzuzucken. »Hauptsache, Sie stecken mir keinen Dollarschein in den Hosenbund.«
    Die Frau hielt inne und funkelte sie wütend an.
    Jo setzte eine zerknirschte Miene auf. »Vergessen Sie es, ich bin sowieso eine miese Tänzerin. Ich würde bestimmt über die Stange stolpern. Kann ich …«

    »An mir kommt kein Terrorist vorbei, bloß weil jemand behauptet, dass er es eilig hat.«
    »Sie ist keine Terroristin«, warf der Cop ein. »Sie ist Ärztin beim mobilen Krisenteam.«
    Genau, hätte Jo der Wachfrau gern zugerufen und am liebsten noch einen der saftigen Flüche hinzugefügt, die ihr Großvater in seiner Kindheit in den Gassen von Kairo aufgeschnappt hatte. Aber das war wohl keine besonders gute Idee.
    Flughäfen waren das Letzte.
    Im San Francisco International herrschte ein Höllenlärm und heftiges Gedränge. Die Menschenmassen stolperten durch die Absperrungen wie Vieh, das mit einem Stock zur Rampe getrieben wird. Das Krachen der Kleidertröge an den Kontrollpunkten erzeugte einen unregelmäßigen Trommelrhythmus. Eine Gruppe Sicherheitskräfte winkte die Leute durch: Weitergehen, beeilen Sie sich. Weisen Sie Ihre Bordkarte vor. Und jetzt bitte noch mal. Und jetzt zeigen Sie sie noch diesem Wachmann. Jo war klar, dass Mehrfachüberprüfungen Ausrutscher verhindern sollten. Aber wenn dieser Kontrollpunkt ein Mensch gewesen wäre, dann hätte man ihm eine Zwangsneurose bescheinigen müssen. Fixiert auf eine vergangene Bedrohung, ohne mit neuen Varianten zu rechnen.
    Wie zum Beispiel der möglichen Gefahrensituation an Gate 94.
    Draußen wurde die Bay Area von einem Märzgewitter heimgesucht. Regenwolken jagten als düsteres Gewirr aus Grau und Schwarz über den Himmel. Kalter Wind scheuerte über die Landebahnen.

    Die Wachfrau nahm die Hände weg. »In
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