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Die Strafe - The Memory Collector

Titel: Die Strafe - The Memory Collector
Autoren: Meg Gardiner
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hat
ziemlich heftig geklappert. Sogar ein paar Gepäckfächer sind aufgegangen. Dann kommt dieser Typ den Gang raufgeprescht.« Er deutete in den hinteren Teil des Flugzeugs. »Springt über die Frau in der letzten Reihe und will die Nottür aufreißen.«
    »Ich hatte den Eindruck, er weiß genau, was er tut«, ergänzte Ely.
    »Was meinen Sie damit?«
    Ely musterte sie scharf. »Er hat überhaupt nicht gezögert. Ist nicht stehen geblieben, um die Anweisungen an der Tür zu lesen. Hat losgelegt, wie wenn er es schon x-mal gemacht hätte.«
    Jo nickte. »Und dann?«
    »Spontane Entscheidung«, antwortete Gingrich. »Wir sind einfach auf ihn los. Der Typ hat gekämpft wie ein Berserker, das können Sie mir glauben. Aber wir waren zwei gegen einen und haben ihn schließlich überwältigt.«
    »Hat er was gesagt?«
    Gingrich nickte. »Allerdings. Klar und deutlich.«
    Ely übernahm: »Dass wir verrückt sind.«
     
    Jos nächste Frage galt den Stewardessen. »Wie hat sich Kanan auf dem Flug benommen?«
    »Der reinste Zombie«, erwiderte eine Blondine. »Hat nicht gelesen, keine Filme angesehen, nicht einmal die Luftkarte hat ihn interessiert. Hat nichts gegessen. Hat einfach nur dagesessen.«
    »Hat er was getrunken?«
    »Nein.«
    »Sicher?«

    Ihr Namensschild wies die junge Frau als Stef Nivesen aus. Sie verzog das Gesicht. »Von England bis hierher ist eine ziemliche Strecke. Alle haben was getrunken. Nur er nicht.«
    »Haben Sie beobachtet, dass er irgendwelche Medikamente geschluckt hat?«
    »Nein.«
    »Wo ist sein Handgepäck?«
    Die Flugbegleiter hatten Kanans Rucksack bereits in die Bordküche gebracht. Jo stöberte darin herum. Sie entdeckte ein Notebook, aber weder Drogen noch Alkohol. Sie fand Kanans Pass und seine Reiseroute. Nachdem sie die Dokumente kurz überflogen hatte, reichte sie sie an Paterson weiter.
    »Er kam nicht aus London, sondern aus Südafrika. In Heathrow ist er umgestiegen.«
    »Spielt das eine Rolle?«, fragte der Polizist.
    »Vielleicht.« Jos Blick glitt zum hinteren Teil der Maschine. »Begleiten Sie mich bitte.«
    Paterson schritt voran. Die Gruppe bei der Bordküche machte ihnen Platz. Chad Weigel, der zweite Cop, hatte sich vor der Toilettentür postiert.
    Er hob die Hand, um zu klopfen, doch Jo hielt ihn zurück. »Einen Moment noch.«
    Sie wandte sich an die Flugbegleiterinnen. »Haben Sie die Tür entriegelt, um ihn rauszuholen?«
    »Schon zweimal«, erwiderte eine Britin mit dem Namensschild Charlotte Thorne. »Beim ersten Mal hat er sich gegen die Tür gestemmt, damit wir sie nicht aufstoßen können. Außerdem hat er uns aufgefordert zu verschwinden. Beim zweiten Mal hat er gar nichts gesagt. Anscheinend ist er hinter der Tür zusammengesackt.«

    »Bewusstlos?« Jo überlegte fieberhaft: Drogen, Alkohol, Krankheit?
    Die Stewardess zuckte die Achseln. »Er hat nicht reagiert.«
    »Was meinen Sie?«, fragte Officer Paterson.
    »Finden wir es raus.« Jo klopfte an die Tür. »Mr. Kanan?«
    Sie hörte Wasser im Waschbecken plätschern und tauschte einen Blick mit Paterson aus.
    Dann öffnete sich die Tür. Der Mann drehte sich, um die Toilette zu verlassen. Doch als er sie sah, erstarrte er.
    Ian Kanan war Mitte dreißig, eins achtzig, weiß. Von hinten und mit einer Jacke wäre nichts Besonderes an ihm gewesen. Doch von Angesicht zu Angesicht fiel Jo auf, wie straff sich das Denimhemd über seinen Schultern spannte. Sie sah Selbstbewusstsein vom Scheitel bis zur Sohle. Am linken Handgelenk hatte er tiefe Kratzwunden. Er war dünn und drahtig. Das Haar kurz und rostbraun wie Eisenerz. Noch nie waren ihr derart blassblaue Augen begegnet. Fast farblos, aber leuchtend hell wie eine alte Eisschicht. Jo hatte das Gefühl, in eine Gletscherspalte zu spähen.
    »Verzeihen Sie bitte.« Er schob sich durch die Tür.
    Plötzlich registrierte er die Leute im Gang, die ihn alle anstarrten. Dann Officer Paterson und die Schusswaffe an dessen Gürtel. »Was ist denn?«
    Jo ergriff die Initiative. »Mr. Kanan, alles klar bei Ihnen?«
    Er schaute kurz hinaus durchs Fenster. Graues Brodeln am Himmel und peitschender Regen. Sein Blick zuckte in den Gang. Das leere Flugzeug. Vor Jos innerem Auge erschien der Begriff Fluchtroute.
    Er wandte sich wieder zu ihr. »Ich habe mich unwohl gefühlt.«

    Ein ganzer, klar ausgesprochener Satz als Antwort auf ihre Frage. Immerhin. Sein Blick war wach, doch dahinter spürte Jo auch etwas anderes: im Zaum gehaltene Verwirrung. Patersons Hand schwebte über der
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