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Die Stimmen des Flusses

Die Stimmen des Flusses

Titel: Die Stimmen des Flusses
Autoren: Jaume Cabré
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Esplandiu.«
    »Der, der auch aus Altron kommt?«
    »Ja. Er gehört zum Maquis.« Targa schlug die Hände vors Gesicht: »Er hat ihn umgebracht. Und ich … Ich habe es nicht verhindern können.« Er streckte dem Geistlichen die offenen Hände entgegen. »Ich war unbewaffnet.«
    »Es stimmt, ich habe es gesehen«, sagte Elisenda, ohne sich umzudrehen, den Blick auf den Altar gerichtet. »Der Lehrer hat sich zwischen die Mörder und das Tabernakel gestellt.«
    »Mein Gott, woher kommt all dieser Haß, mein Gott …« sagte Hochwürden August und fiel auf die Knie. Er blickte zum Tabernakel auf, zum Ewigen Licht des Altars, und zwei, drei, vier runde Tränen rollten über seine Wangen.
    »Der Lehrer hat das Tabernakel verteidigt«, sagte er bewegt. Dann bemerkte er das Goldkettchen. Mit den Fingerspitzen schob er das blutige Hemd beiseite, und sein Blick fiel auf ein halbes Goldkreuz. Der Anblick trieb ihm erneut die Tränen in die Augen. Auf Knien beugte er sich über den Märtyrer und küßte ihn auf die Stirn. »Der heilige Beschützer des Tabernakels«, murmelte er. Gott, ich warne dich: Das wirst du mir büßen, wiederholte Elisenda leise, verzweifelt,und kniete wieder neben dem reglosen Körper ihrer einzigen, unvergänglichen Liebe nieder.
    Als Hochwürden August sich ein wenig gefaßt hatte, erhob er sich mühsam und wandte sich an den Bürgermeister: »Haben Sie keinen von ihnen erwischen können?«
    Die Antwort war Schweigen. »Und wir mußten draußen bleiben, auf ausdrücklichen Befehl des Herrn Bürgermeisters, und haben uns den Hintern abgefroren. Schließlich hat uns der Chauffeur von Senyora Elisenda reingerufen. Der Geistliche hat vor dem Körper des Lehrers gekniet, ja, und dann hat er uns erzählt, was passiert war.«
    »Das ist hier geschehen«, seufzte der Geistliche, als er geendet hatte. Er war bleich, und seine Augen glühten.
    Der Bürgermeister stand auf und stellte sich neben den Geistlichen, um dessen Worte zu bekräftigen. Senyora Elisenda stand betend vor dem Altar.
    Valentí Targa sah einen nach dem anderen an. »Noch Fragen?«
    In diesem Moment kam Cinteta, die Telefonistin, herein. Trotz der späten Stunde hatte sie einen wichtigen Anruf für den Lehrer erhalten. »Ich kann ihn nirgends finden, und da hier Licht brannte … Oh, mein Gott!«
    »Für den Lehrer?« Elisenda Vilabrú wandte sich um.
    »Ja. Eine Nonne aus einem Krankenhaus. Heilige Mutter Gottes, was ist denn hier passiert?«
    »Ich gehe dran, Cinteta«, sagte Senyora Elisenda, küßte Oriol noch einmal auf die Stirn und ging hinaus.
    »Und jetzt fragen Sie nichts weiter, ich bin schon ganz durcheinander … Ich schwöre es bei Gott. Es war lausig kalt, das weiß ich noch genau. Und wir bekamen den Befehl auszuschwärmen, um diese Ratten von Maquisards zu jagen. Da hatten sie meine Kniescheibe noch nicht zertrümmert, die Schweinehunde.Wer zahlt das Mittagessen, Senyoreta?«

    »Die ganze Vorderseite des Granitblocks ist ziseliert, sehr hübsch, und die graue Marmorplatte mit den eingemeißelten Buchstaben ist ein echtes Wunderwerk, ich wünschte, du könntest es sehen. Außerdem habe ich eine geäderte Platte gefunden, die fast römisch aussieht. Sie können zufrieden sein. Natürlich zahlen sie bar. Und dann haben sie angefangen, von Oriol vom Tabernakel zu sprechen, Oriol von Torena. Josep Oriol vom Tabernakel von Torena …«
    »Es ist immer peinlich, wenn die Leute sich lächerlich machen. Bevor ich ins Krankenhaus gehe, werde ich einem Journalisten alles erzählen.«
    »Was sagst du da vom Krankenhaus? Wo bist du gerade?«
    »Ach, nichts.«
    »Sag schon, wo bist du?«
    »Ich erkläre es dir schon noch. Es ist alles in Ordnung. Nächste Woche komme ich ins Krankenhaus, es ist nichts, eine Kleinigkeit. Meinst du, du könntest solange auf meine Katze aufpassen?«
    »Natürlich.« Er klang bedrückt. »Ruf mich an, dann komm ich und hol sie ab.«

    Plötzlich packte Jaume Serrallac die Wut. Er änderte die Blaupause ab, mal sehen, ob’s ihnen gefällt, warum zum Teufel hat sie mir nicht vorher gesagt, daß sie ins Krankenhaus muß, verdammt noch mal.
    »Was machst du denn da?«
    »Nichts. Entwürfe.«
    »Bist du verrückt geworden? Morgen wollen sie es sehen.«
    »Das wird schon noch fertig, mein Kind. Laß mich ein bißchen träumen.«
    »Du mit deinen Geschichten.«
    »Ja, ich mit meinen Geschichten.«
    »Wer fährt runter und holt den Basalt?«
    »Nach Tremp?«
    »Ja.«
    Wie soll ich ihr sagen, wenn ich es ihr jemals
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