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Die Stimme des Feuers

Titel: Die Stimme des Feuers
Autoren: Catherine Coulter
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meine Schuld. Ich habe dich mit einem Mann vermählt, den ich kaum eine Woche lang gekannt hatte. Aber ich glaubte wirklich, daß er ein Ehrenmann sei, meine Liebe.«
    »Papa, du mußtest doch glauben, daß ich im Sterben läge«, erwiderte Kassia müde. »Und außerdem ist Lord Graelam ein Ehrenmann. Es ist nur so, daß er... mich nicht liebt.«
    Maurice war immer der Meinung gewesen, Kassia sei eins der schönsten Mädchen, das er je gesehen hatte, jetzt bemühte er sich, ihr Äußeres objektiv zu beurteilen, so wie ein Fremder sie sehen mochte. Das herrliche Haar fiel ihr in vollen, schimmernden Locken bis auf die Schultern. Sie hatte etwas zugenommen, war aber immer noch sehr schlank. »Dann muß ich annehmen«, sagte er langsam, »daß Graelam ein verblendeter Dummkopf ist.«
    »Nein, Papa«, widersprach sie schnell. »Ihm fehlt nur jedes Verständnis für eine Frau. Und außerdem hatte ich eine Fehlgeburt.«
    »Hast du dich davon wieder erholt?« fragte Maurice bestürzt.
    »Aber ja. Übrigens habe ich gar nicht gewußt, daß ich schwanger war. Bitte, Papa, ich möchte nicht mehr darüber sprechen. Er wird mich sowieso nicht verfolgen. Er ist wahrscheinlich sehr froh, daß ich ihn verlassen habe. Darf ich hierbleiben?«
    »Natürlich. Hier ist doch deine Heimat, Kassia.«
    »Danke, Papa.«
    »Du bist jetzt müde, meine Liebe. Wir sprechen uns wieder, wenn du völlig ausgeruht bist.« Er zog sie an sich und umarmte sie zärtlich. Er spürte ihre weiblichen Rundungen, den weichen Körper einer Frau. Daß er nicht gleich gemerkt hatte, wie sein kleines Mädchen herangereift war! Ob Graelam sie mißhandelt hatte? Er knirschte mit den Zähnen. Als er sie auf die Wange küßte, war sie tränennaß. »Kassia«, sagte er leise, »weine doch nicht, Püppchen! Du wirst sehen, es wird alles wieder gut.«
    »Ich verdiene es gar nicht, einen solchen Vater zu haben«, sagte sie.
    »Nun, das gleicht sich aus, denn dein Gatte verdient es nicht, eine Frau wie dich zu haben. Warte bis morgen früh, Püppchen! Bei Sonnenschein sieht alles gleich viel besser aus.«
    Kassia mußte lächeln. Das war immer einer der Lieblingsaussprüche ihres Vaters gewesen. Sie wandte sich zum Gehen.
    »Sag mir, liebst du Graelam?«
    Sie bliebt abrupt stehen, sah ihn an und sagte sehr leise: »Ich liebe ihn bis zum Wahnsinn, Papa.« Dann lachte sie so hart und verachtungsvoll, daß es ihm einen Stich ins Herz gab. »Ach, ich bin ja so dumm!« Sie hob die Röcke und eilte die Treppe zu den oberen Räumen hoch.
    Maurice blieb noch lange an derselben Stelle stehen. Er hatte Marie kennengelernt und sein Herz an sie verloren. Wie konnte ein Mann sein Herz nicht an seine Tochter verlieren? War Graelam ein so abgebrühter Krieger, daß er keiner zarteren Gefühle mehr fähig war? Kopfschüttelnd ging Maurice langsam zu seinem Zimmer, wohl wissend, daß Marie im Bett auf ihn wartete, um ihn mit all ihrer Herzenswärme zu trösten.
    Es kam zu keinem weiteren Gespräch zwischen Vater und Tochter. Kassia ging ihm absichtlich aus dem Wege. Ihr Seelenschmerz war noch zu groß. Den nächsten Tag verbrachte sie für sich. Sie spazierte in Belleterre umher und suchte all ihre vertrauten Kindheitsplätze auf. Sie sprach mit ihren alten Freunden, und jedes Wort erinnerte sie an glücklichere Zeiten, als das Leben noch einfach und voller Liebe gewesen war. Mehrmals traten Bedienstete aus jahrelanger Gewohnheit mit Haushaltsfragen an sie heran. Doch Kassia verwies sie an Marie.
    Sie stieg zum Wachturm empor, legte den Kopf in den Nacken und genoß die sanfte Meeresbrise und die warmen Strahlen der Nachmittagssonne. Plötzlich weiteten sich ihre Augen.
    Eine Reiterschar näherte sich der Burg. Ihr Herz begann zu hämmern, ihr Atem ging schneller. Nein, er konnte es doch nicht sein! Regungslos stand sie da und beobachtete, wie die Pferdehufe Staubwölkchen aufwirbelten. Dann erkannte sie Graelams Fahne und seinen mächtigen Zelter, auf dem er saß, eine glänzende Erscheinung im silbern schimmernden Kettenhemd und dem schwarzen Samtmantel. Er war wirklich gekommen! Aber warum? Um sich zu vergewissern, daß er nach ihres Vaters Tod noch immer der Erbe von Belleterre sein würde?
    Sie stand genau über den Toren und sah auf sie herab. Ihr Mann ließ sein Gefolge halten. Sie hörte Pierre, den Torwart, hinunterrufen: »Wer seid Ihr, Mylord? Was führt Euch nach Belleterre?«
    Graelam nahm den Helm ab. »Ich bin Graelam de Moreton!« rief er hinauf. »Ich bin gekommen, um
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