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Die Stimme der Erde

Titel: Die Stimme der Erde
Autoren: Catherine Coulter
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Verlegenheit, Sir. Verzeiht mir, aber wenn Ihr mir gestattet, mich von Eurer Burg wieder zu entfernen, braucht Ihr meine Gesellschaft und meinen scheußlichen Gestank nicht länger zu ertragen.«
    »Keine Bewegung!« rief Dienwald. »Jetzt antworte mir erst! Wer bist du?«
    Ja, das war der Mann mit der tiefen, schneidenden Stimme. Auf der Stelle verging ihr das Lachen. Doch sie dachte keinen Augenblick daran, ihm etwas vorzulügen. Sie war von hoher Geburt, und kein Mann, der nur einen Funken von Ritterlichkeit im Leibe hatte, würde einer Dame etwas zuleide tun. Sie warf den wild zerzausten Kopf zurück und rief: »Ich bin Philippa de Beauchamp, die Tochter von Lord Henry de Beauchamp!«
    »Alte Hexe! Verlogenes Weib!«
    »Ich bin keine Hexe!« schrie Philippa wutentbrannt. »Ich sehe vielleicht so aus, aber ich bin keine!«
    Dienwald betrachtete die scheußliche Erscheinung, und jetzt mußte er lachen. »Philippa de Beauchamp, sagst du? Du bist eine so unappetitliche Frau, daß sogar meine Hunde vor dir zurückscheuen würden. Außerdem hast du wahrscheinlich meine Wolle versaut.«
    »Sie verhext uns, Papa!«
    »Eure Wolle? Ha! Es ist die Wolle meines Vaters, und Ihr seid nicht besser als ein gewöhnlicher Dieb. Und was dich angeht, du ungezogener kleiner Junge, wenn du so weitermachst, verhexe ich dich wirklich.«
    Edmund kreischte auf, und Dienwald lachte wieder. Seine Leute schauten erst auf ihn, dann auf das weibliche Wesen, und bald fingen alle schallend zu lachen an. Philippas Blick fiel auf einen mißgestalteten Mann an der Treppe zum großen Saal. Sogar der kicherte wie wild.
    Ach, hätte sie doch lieber gelogen! Wenn sie behauptet hätte, eine Dirne aus einem Dorf zu sein, wäre sie vielleicht schon freigelassen worden. Aber nein, sie mußte ja die Wahrheit sagen - wie eine dumme Trine. Wie konnte sie denn Ritterlichkeit bei einem Mann erwarten, der eben zwei Wagen voll Wolle gestohlen hatte? Sie hob das Kinn. »Ich bin Philippa de Beauchamp. Ich verlange, daß Ihr mir die gebührende Achtung erweist.«
    Sowie das Wesen die ersten Worte gesprochen hatte, war es Dienwald klar gewesen, daß sie keine entlaufene Leibeigene oder ein Mädchen aus dem Dorf St. Erth sein konnte. Sie sprach wie eine Edelfrau - laut, hochmütig und arrogant. Warum zum Teufel hatte sich das verdammte Weib in einem Wagen mit Wolle versteckt? Warum stank sie wie die Eingeweide eines Schweins, und warum war sie von oben bis unten mit Schlamm beschmiert?
    »Ich habe mir längst gedacht, daß Lord Henry ein Vielfraß mit roter Nase und einem Wanst ist, vor dem die Pferde vor Angst wiehern, wenn sie sein Gewicht tragen sollen. Aber selbst er kann doch nicht mit so einer Tochter geschlagen sein. So, und jetzt runter vom Wagen!« Sie kletterte herab. Er sah, daß sie sehr groß war. Sie sah ihn an. Wirklich, wer sie unvermutet traf, konnte sich vor ihr zu Tode erschrecken. Er ließ Philbo einige Schritte zurücktänzeln und rief ihr zu: »Keine Bewegung!«
    Dann stieg Dienwald ab, warf die Zügel seinem Waffenmeister Eldwin zu und schritt zum Brunnen. Mit einem vollen Eimer kam er zurück und stülpte ihn ihr ohne Vorwarnung über den Kopf. Sie prustete, kreischte und zappelte. Wolle rieselte von ihrer Haut und ihrem Kleid. Nun wirkte ihr Gesicht nicht mehr abstoßend, nur dreckig. »Mehr Wasser, Egbert!«
    »Allein vom Wasser werde ich nicht sauber«, sagte Philippa, nach dem kalten Guß Luft schnappend.
    »Ich kann dich doch hier nicht vor allen Leuten nackt ausziehen lassen und dir ein Stück Laugenseife geben. Das heißt, ich könnte es schon. Aber da du behauptest, eine Dame zu sein, würdest du sicherlich laut schreien, ich würde dein Schamgefühl verletzen.«
    Ruhig antwortete sie ihm: »Könnte ich vielleicht die Seife haben und mich hinter einem der Nebengebäude baden?«
    »Ich weiß nicht recht. Meine Katze hat gerade Junge geworfen, und ich befürchte, sie wird sich so erschrecken, daß ihr die Milch wegbleibt.« Doch dann rief Dienwald nach Laugenseife und sagte: »Egbert, führe das Wesen hinter das Küchenhaus und laß sie da allein! Aber bring erst die Katze in Sicherheit! Agnes, du holst ihr saubere Kleider und hilfst ihr. Dann bring sie zu mir! Aber erst, wenn sie meine Nase nicht mehr beleidigen kann.«
    »Aber Papa, sie is 'ne Hexe!«
    Philippa folgte indessen dem Mann mit dem Eimer Wasser. Barfuß, denn ihre Stiefel waren irgendwo in der Wolle steckengeblieben.
    Dienwald fuhr seine Leute an: »Und nun an die Arbeit!
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