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Die Steinernen Drachen (German Edition)

Die Steinernen Drachen (German Edition)

Titel: Die Steinernen Drachen (German Edition)
Autoren: Oliver Kern
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versuchte teilnahmslos zu wirken. Der Mann nahm ihm das Foto aus der Hand und steckte es zurück in die Innentasche seines Sakkos.
    „Wissen Sie, wo sie ist?“
    Die Frage kam klar, nahezu akzentfrei und ohne den asiatischen Singsang. Er war überrascht - nicht so sehr von der Frage – sondern von der Aussprache des Asiaten. Jetzt war er sicher, dass der Mann kein Chinese war. Flühlingslolle, hat gezmegt? So in der Art hätte es klingen müssen , dachte er. Chinesen waren nicht in der Lage ein sauberes Deutsch zu sprechen - nicht die, die er kannte oder je getroffen hatte.
    „Wissen Sie, wo sie ist?“, fragte der Asiat erneut.
    „Nein! Ich habe sie seit fast einem Jahr nicht mehr gesehen“, antwortete er wahrheitsgemäß. Was sollte er auch sonst sagen? Der fremde Riese war ihm nicht geheuer und er wollte keine Probleme. Hilfesuchend blickte er zu den drei Jugendlichen, doch deren Mimik wirkte entrückt. Zuviel gekifft!
    Holly Johnson löste Shakira ab und sang In the land of the free - You can be what you wanna be .
    „Sie wissen nicht, wo wir sie finden können?“
    Erstaunlich, wieder eine deutliche Frage, ohne dass eine Silbe oder Wortende verschluckt wurde.
    „Wir?“, hakte Frank nach. Der Mann hob die dunklen Augenbrauen. Seine Pupillen fixierten ihn. „Wer ist »wir«?“
    Der Asiat ging nicht darauf ein. „Wir denken, dass Sie uns bei der Suche nach ihr behilflich sein können.“
    „Wie kommen Sie ausgerechnet auf mich?“, wollte er wissen.
    „Sie pflegten diese Frau zu treffen“, erklärte der Mann.
    „Das haben Sie schön formuliert!“, gratulierte er süffisant. Die Unterhaltung begann ihm Spaß zu machen und weckte zunehmend seine Neugier. „Woher, zum Teufel, wissen Sie das?“, fragte er mit gespielter Empörung.
    Der Asiat war nicht bereit darauf zu antworten. Stoisch kam er auf sein Anliegen zurück. „Sind Sie bereit, uns bei der Suche nach dieser Frau zu helfen?“
    Einer der drei Stammgäste winkte unbeholfen und deutete an, dass sein Bier leer war. Er löste sich vom hypnotisierenden Blick seines Gegenübers und stellte dem Zecher eine neue Flasche vor die Nase. Die Worte des Asiaten hallten in seinem Kopf. Sind sie bereit, uns bei der Suche nach dieser Frau zu helfen? Je länger er darüber nachdachte, desto unsicherer wurde er. Was sollte er davon halten? Der große Mann stand angewurzelt an seinem Platz und verfolgte ihn mit seinen dunklen Augen. Sind sie bereit, uns bei der Suche nach dieser Frau zu helfen? Er beschloss, in die Offensive zu gehen. „Warum glauben Sie, dass ich Ihnen helfen würde?“
    „Weil Sie Geld brauchen“, antwortete der Hüne knapp. Bevor sein erstaunter Gesichtsausdruck sich voll entfaltet hatte, warf der Asiat einen braunen Umschlag auf die Theke.
    „Aber ...?“ Er brach den Satz ab und überlegte, wer außer seiner Bank über seine missliche Finanzlage Bescheid wusste. Da ihm auf die Schnelle niemand einfiel, griff er nach dem Umschlag.
    „Darin finden Sie 5.000 Euro. Kommen Sie morgen um zehn Uhr ins Hotel Intercontinental . Fragen Sie an der Rezeption nach Mister Kham.“ Er reichte Frank eine Visitenkarte. Kwan Kham stand in dunkelroten, lateinischen Lettern darauf. Bis auf eine Mobilfunknummer war alles Weitere in asiatischen Schriftzeichen geschrieben.
    „Wenn wir zu einer Übereinkunft kommen, erhalten Sie noch einmal dieselbe Summe“, beendete der Sumomann seinen Vortrag, drehte sich um und verließ die Bar. Er starrte ihm nach, bis er aus dem Lichtkegel der Straßenlaterne verschwand und sich in der Dunkelheit auflöste. Dann betrachtete er nochmals die Visitenkarte, als würden bei längerem Hinsehen klärende Antworten
    auf dem edlen Papier zum Vorschein kommen. Da das nicht der Fall war, flüsterte er beschwörend den Namen, der auf der Karte stand: Kwan Kham . Nichts geschah.
    Er legte sie zur Seite, öffnete den Umschlag und strich mit
    dem Daumen über das Bündel Geldscheine. Die Uhr zeigte viertel vor zwölf.
     
    Um halb eins war die Abrechnung gemacht und die Tür verriegelt. Auf dem Weg zu seinem Wagen spürte er die Hitze aufsteigen, die sich tagsüber im Asphalt gespeichert hatte. Die Stadt wirkte leer. Die letzte Vorstellung im Kino nebenan war schon seit über einer Stunde zu Ende. Die Cineasten hatten sich in den aufgeheizten Straßen verlaufen und waren in ihre kühlen Löcher gekrochen.
    Sein Wagen parkte in einer schmalen, spärlich beleuchteten Gasse. Der Himmel war klar, aber sternenlos. Die Hitze der letzten
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